Bioenergie: Es bleibt spannend

Sini Eräjää (Bioenergy Plicy Officer bei BirdLife) räumt mit dem Mythos auf, dass jede Form der Bioenergie als positiv zu sehen ist. Die Bioenergiepolitik der EU wurde auf der fälschlichen Annahme, dass Bioenergie eine „erneuerbare Ressource“ und damit durchweg positiv zu sehen ist, erarbeitet. Nach dem Motto: Gut für das Klima und gut für eine nachhaltigere Zukunft. Aber das Sprichwort „es ist nicht alles Gold, was glänzt“ trifft auch hier zu, denn es ist nicht unbedingt alles nachhaltig, was erneuerbar ist. Bioenergie ist schlicht und ergreifend nicht so sauber, wie wir gehofft haben. Manchmal führt sie sogar zu einem Anstieg der CO2 – Emissionen, höher als bei der Nutzung fossiler Brennstoffe. In der Bioenergiepolitik muss dringend zwischen „guter“ und „schlechter“ Bioenergiepolitik unterschieden werden und die Wahrheit über die tatsächliche Klimaschädlichkeit der Bioenergie muss ans Licht gebracht werden.

 

Die gute Bioenergie

 

Es gibt sie, die „gute” Bioenergie. Zum Beispiel Biomasse aus Abfällen, wie sie in der Landwirtschaft anfallen, z.B. Erntereste. Auch Dung und andere Abfallprodukte, z.B. aus der Fortwirtschaft, haben erhebliches Potential.
Leider wird Bioenergie nicht so nachhaltig genutzt wie ursprünglich erhofft. BirdLife Europa (und andere Organisationen) haben zahlreiche Studien in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie viel Biomasse verbrannt werden kann, ohne die Umwelt oder das Klima zu schädigen. In unseren Untersuchungen zogen wir vier wesentliche Überlegungen in Betracht:

  • Die Notwendigkeit, mehr land – und forstwirtschaftliche Flächen für die Biodiversität vorzuhalten.
  • Die Notwendigkeit, den natürlichen Kohlenstoffspeicher (in Bäumen und Boden) zu erhalten und ihn nicht für Bioenergiezwecke zu reduzieren.
  • Die Notwendigkeit, wertvolle natürliche Ressourcen nicht zu verschwenden, sondern diese schonend zu nutzen.
  • Die Nachfrage nach Biomasse in Europa sollte nicht dazu führen, dass die EU über ihre Grenzen hinaus ihren ökologischen Fußabdruck noch weiter vergrößert.

 

Neue Forschungsergebnisse, die gerade erst von BirdLife und Transport & Environment veröffentlicht wurden, haben all diese Punkte berücksichtigt und einige erschreckende Erkenntnisse gewonnen. Im Jahr 2030 könnten lediglich maximal 150 Millionen Tonnen Öläquivalente (Mtoe) Biomasse auf nachhaltige Art und Weise für Energie genutzt werden – deutlich weniger als der Bedarf, den die Kommission für das Jahr 2030 errechnet hat. Dies bedeutet, dass lediglich 30 Prozent der erneuerbaren Energien, die für die Erreichung der EU Ziele bis 2030 notwendig sind, aus nachhaltigen Quellen stammen. Dies ist eine wichtige Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass derzeit die Bioenergie 60 Prozent der erneuerbaren Energiequellen ausmacht. Es steht zum einen deutlich weniger nachhaltige Biomasse als erhofft zur Verfügung, zum anderen ist auch die Art der Biomasse völlig anders. Derzeit verbrennen wir hauptsächlich Holz – wir müssen davon wegkommen und eine buntere Mischung von Abfallprodukten aus Landwirtschaft und Industrie nutzen.

 

Die schlechte Bioenergie

 

Die „schlechte“ Bioenergie ist nicht einfach der Anteil jenseits besagter 30 Prozent. Sie entsteht auch aus falsch genutzter Biomasse – z.B. Ernteerzeugnissen oder ganzen Bäumen, aber auch Baumstümpfen und Totholz. Aufgrund von Subventionen und finanziellen Anreizen durch die Regierung wird das Wachstum dieser Branche noch verstärkt. Subventionen (z.B. Preisgarantien für Strom aus Bioenergie usw.) machen das Verbrennen qualitativ hochwertigen Holzes, Ernteprodukten und ganzen Bäumen finanziell attraktiv. Wir decken immer mehr solcher Fälle von schlechter Nutzung von Bioenergie auf. Viele wissen, dass tropische Regenwälder in Indonesien für den Anbau von Palmöl gerodet werden, das als Biodiesel nach Europa exportiert wird, oder dass Wälder im Süden der USA abgeholzt werden, um Holz pellets herzustellen, die in europäischen Kraftwerken verbrannt werden. Den wenigsten Menschen ist jedoch bewusst, dass sich ähnliche Vorgänge auch in Europa abspielen. BirdLife wird das Schwarzbuch Bioenergie veröffentlichen. Darin wird anschaulich dargestellt, wie gutgemeinte Ideen sich ins Gegenteil verkehrt haben. In dem Buch gehen wir anhand von acht aktuellen Fallbeispielen dem Kohlenstoffschwindel bei der Bioenergie auf den Grund. Beispielsweise erfahren Sie, wie Finnlands Wälder für Bioenergie ausgebeutet werden oder dass im italienischen Emilia Romagna das Überschwemmungsrisiko steigt, weil Auwälder verbrannt wurden.

 

Die dunkle Seite der Bioenergie

 

Die dunkelste Seite der europäischen Bioenergie ist das ‘green – washing’ und die fälschliche Annahme, dass die Nutzung von Bioenergie positive Auswirkungen auf das Klima hat. In der europäischen Klima und Energiepolitik wird so getan, als ob alle Formen der Bioenergie kohlenstoffneutral seien – eine Annahme, die von internationalen Klimaforschern oder dem Weltklimarat (IPCC) strikt abgelehnt wird. Der „Kohlenstoffschwindel“ resultiert aus einer Fehlinterpretation von gutgemeinten Buchhaltungsregeln. Man hatte sich darauf geeinigt, dass bei der Kohlenstoffbilanzierung Emissionen aus dem Fällen von Bäumen (oder der Ernte oder dem Umpflügen von Böden zur Bioenergieproduktion) nicht auf das Konto des Energiesektors angerechnet werden müssen, weil diese Vorgänge „anderweitig“ verrechnet würden. Komischerweise wurde dann aber das “anderweitig” oft vergessen, während der Energiesektor mit vermeintlich „kohlenstofffreier“ Bioenergie einen Siegeszug hinlegte. Das klingt fast wie ein hinterlistiger Kartentrick aus einem alten Western, finden Sie nicht auch? Das ist es in gewisser Weise auch. Der Freifahrtschein kommt dem Energiesektor sehr gelegen, aber die Emissionen müssen trotzdem noch „irgendwo“ eingerechnet werden. Wichtiger ist sogar noch, dass die Politik so verändert werden muss, dass diese Emissionen gar nicht erst entstehen. Sonst sieht es mit dem Klima auf unserer Erde gar nicht gut aus.

 

Wir brauchen neue Regeln

 

Es ist verständlich, dass die falsch informierte Öffentlichkeit an der vermeintlich grünen Bioenergie festhalten will. Aber es ist unverzeihlich, wenn die, die Bescheid wissen, bei dieser Scharade weiterhin mitspielen. In weniger als einem Monat wird die Europäische Kommission einen neuen Politikvorschlag zur Nachhaltigkeit von Bioenergie vorlegen. Dies ist eine einzigartige Chance für die EU, Klarheit zu schaffen. Die Kommission muss die negativen Seiten der Bioenergie geraderücken. Nur dann wird die „gute“ Bioenergie siegen.

 

Text: Sinj Eräjää (Bioenergy Plicy Officer bei BirdLife) | Bild: pixabay.de
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