Wir haben das nicht schuld

Petershagen: „Im alten Rom wäre Herrn Breves jetzt der Kopf abgeschlagen worden bei den Nachrichten“.


Das war die Kernaussage des Bürgermeisters Blume zum Bericht des Kämmerers Breves zum Zustand der Stadtfinanzen, nachdem er zuvor klar gestellt hatte, dass es keinen Weg um die Haushaltssicherung herum gibt.

In ihren Haushaltsreden machten nach dem Vortrag des Kämmerers dann sofort alle Fraktionen klar, dass natürlich alle anderen Schuld haben. Fraktionsvorsitzender Schröder (CDU): „Wir sind ziemlich machtlos und hilflos. Wir hatten die Hoffnung, dass das so weiter laufen könnte. Wir haben das nicht verschuldet“. Fraktionsvorsitzender Ebenau (SPD): Die Situation ist nicht auf Fehler der Stadt Petershagen zurück zu führen. Wir haben das nicht Schuld“. Und ganz niedlich naiv äußert der Fraktionsvorsitzende, Hahn(Grüne): „Wir müssen irgendetwas machen, um Kunden anzulocken. Ein Kaufmann investiert doch auch, um Kunden anzulocken“. Der Fraktionsvorsitzende Wehmeyer (FDP) fragte gar weltmännisch schuldabweisend: „ist diese Umverteilung überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar“ und der Kollege Niederbracht (FDP) wollte sogar eine Resolution durch den Rat nach Düsseldorf schicken, was er als Antrag einbrachte. Auf die Frage eines anderen Ratsmitgliedes, was denn überhaupt darin stehen sollte, antwortete der Bürgermeister Blume: „lasst uns erst einmal darüber abstimmen“. Die Qualität der Debatte ist anders kaum besser darstellbar.


Die Unschuld vom Lande

Der Petershäger Rat dokumentierte in allen Redebeiträgen seine geballte Hilflosigkeit und Unschuld. Die Ursache der gesamten Misere sei ausschließlich bei der Landesregierung NRW zu suchen. Dabei wird geflissentlich ausgelassen, dass seit über 10 Jahren die Ausgaben höher als die Einnahmen waren und somit Jahr für Jahr die Schulden stiegen. Jeder weiß, dass eine stete Neuverschuldung irgendwann zu einem Kollaps führt. Das hat den Rat in den letzten Jahren aber nicht bewogen, seine Ausgaben sehr deutlich zu reduzieren, denn das wäre ein effektives Mittel gewesen, sinkenden Einnahmen zu begegnen.


Einnahmen und Ausgaben

Bei den Ausgaben gibt es zwei Gruppen: Freiwillige Leistungen und Pflichtleistungen. Zu den freiwilligen gehören Zuschüsse an Sportvereine, Musikschule, Bücherei, Schwimmbad usw., die man zahlen kann aber nicht muss. Die Pflichtleistungen sind hauptsächlich Kreisumlage und Personalkosten, die immer anfallen und nicht kurzfristig reduziert werden können. Gerade hier liegen langfristige Verschuldungspotentiale, denn Pensions- und Rentenleistungen wirken Jahrzehnte nach, bis die Anspruchsinhaber gestorben sind. So sind die Personalkosten seit 1999 jährlich um 100.000,-€ gestiegen, was allein in der Zeit der Bürgermeisterin Schmitz – Neuland bis 2009 ca. 1 Million Mehrkosten ausmachte. Und diese steigen ständig weiter. Bürgermeisterabwahlen, Abwahl des Beigeordneten Bäumlein, Vorruhestand, Höhergruppierungen und weitere Personaleinstellungen trotz Rückgang der Bevölkerung haben diesen Kostenbereich überdurchschnittlich anwachsen lassen.

Natürlich haben das andere Gemeinden auch gemacht, aber in Petershagen gab es Warnungen genug, die ignoriert wurden von diesen Politikern, die nun nicht Schuld haben wollen und nun die Lebenskosten wie Wasser, Abwasser, Grundsteuer, Hundesteuer usw. für die Bürger extrem anwachsen lassen.

Wenn dann noch die stellvertretende Bürgermeisterin Berg (CDU) ganz naiv fragt, „wer kann denn da noch überleben, die anderen Gemeinden stehen doch vor demselben Problem“ wird deutlich, dass ihr nicht bekannt ist, dass es auch schuldenfreie Kommunen gibt, die nämlich frühzeitig angefangen haben zu sparen. Aber man hat ja mal was gesagt und gleichzeitig gezeigt, dass man von der Materie keine Ahnung hat.


Haushaltssicherungskonzept (HSK)

Angefangen vom Bund über das Land bis zu den Kommunen am unteren Ende wurden Gesetze und Beschlüsse gefasst, die die Verschuldung aller in Deutschland in den Billiardenbereich trieb. Fast alle machten es so wie der Petershäger Rat, und so ist es nun kein Wunder, dass kein Gestaltungsraum mehr da ist, denn ohne Geld keine Gestaltung. Und wenn man mit Geld nicht umgehen kann und die Verschuldung wesentlich über dem Vermögen und den Einnahmen liegt, dann wird per Gesetz (HSK) vorgeschrieben, wie der Haushalt zu führen ist.

Die Haushaltssicherung kommt nun in Petershagen, was heißt, dass man nun alle Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen muss, z.B. Anhebung der Gewerbesteuern, Grundsteuern, Hundesteuern usw. und gleichzeitig alle Zahlungen reduzieren muss, die nicht zwingend sind wie z.B. die Personalkosten.


Einnahmerückgang durch Umschichtung der Landesregierung

Obwohl die Haushaltssicherung nur eine Frage der Zeit war, ist der jetzige Auslöser die geringeren Zahlungen des Landes. Die Zahlungen an die Kommunen wurden mit einem neuen Verteilungsschlüssel versehen, der die größeren Städte mit ihrer gewaltigen Soziallast (z.B. Hartz IV) bevorzugt mit der Folge, dass die kleineren Kommunen geringere Zahlungen vom Land erhalten, die deren Haupteinnahmen darstellen. Für Petershagen bedeutet das, dass allein bei den Schlüsselzuweisungen statt der geplanten 5,69 Mill. nun nur noch 3,37 Mill. zu erwarten sind. Es entsteht somit eine Einnahmenlücke von ca. 2,3 Mill., die irgendwie zu füllen ist. Nur wenige eigene Einnahmen aus Steuern und Gebühren können Gemeinden selbst festlegen und erheben. Dadurch sind diese Einnahmequellen hier wesentlich auf Kleinstbeträge wie Hundesteuer und Gebühren begrenzt oder auf wenige größere wie Grundbesitzabgaben und Gewerbesteuern, die insgesamt ca. 30% des gesamten Etats ausmachen. Der Rest Einnahmen kommt vom Land.

Grob vereinfacht sammelt das Land erst einmal alle wesentlichen Einnahmen aller Kommunen aus Steuern ein und verteilt diese wieder an diese nach einem bestimmten Schlüssel, wovon ein wesentlicher die Einwohnerzahl der Gemeinde ist (Schlüsselzuweisungen). Weitere Faktoren sind Sozialleistungen, Steueraufkommen usw. die Einfluss auf diese Zuweisungen haben.


Breves: „Das Leben geht weiter trotz Haushaltssicherungskonzept“

Der Stadtkämmerer („Finanzminister der Stadt“) Herr Breves stellte in der Ratssitzung am 11.01.11 die Auswirkungen der neuen Finanzplanung der Landesregierung von NRW auf den Haushalt der Stadt Petershagen vor, die letztendlich bedeuten, dass aufgrund der erheblichen Kosten der Soziallasten (Hartz IV) weniger Geld an die Stadtkasse von Petershagen ausgezahlt wird. Damit gerät die Planung des Haushaltes für 2011 und die der nachfolgenden Jahre erheblich aus den Fugen, da die geplanten Ausgaben die nun wahrscheinlich noch geringeren Einnahmen der Stadt erheblich überschreiten. Diese Lücke (von fehlenden ca. 2,3 Mill. Schlüsselzuweisungen) kann nur auf zweierlei Weise geschlossen werden. Entweder zusätzliche Einnahmen durch mehr Steuern und ähnliche Zuflüsse, durch weitere Kreditaufnahme (die aber die Verschuldung noch weiter erhöht und gesetzlich begrenzt ist), oder Ausgabenreduzierung. Der Fehlbedarf im Kernhaushalt für 2011 beläuft sich aufgrund jetziger Schätzungen für 2011 auf 8,07 Mill., für 2012 auf 4,71 Mill., für 2013 auf 3,76 Mill. Und für 2014 auf 3,41 Mill.. Dann ist erst mal wieder Wahl. Da man nun ohnehin in die Haushaltssicherung kommt, weil nur noch auf „Pump“ gelebt wurde, wird die Stadt nun per Gesetz (HSK) gezwungen, alle Möglichkeiten der Einsparungen und Einnahmeerhöhungen zu nutzen. Bis man nun genau weiß, wie die wirklichen Zahlen sind, wurde der Haushaltsbeschluss für 2011 erst mal bis mindestens März verschoben.


Mehr Kosten für die Bürger

Die Folgen werden sein, dass weitere Steuer- und Abgabenerhöhungen (Grundsteuern, Wasser, Abwasser, Gebühren usw.) sowie Kürzungen der Zuschüsse bei Vereinen und Einrichtungen kommen, aber da, wo man deutlich hätte sparen können, wird nichts passieren. Beim Personal. Das hätte man früher machen können. Nun sind die mal alle da und bleiben (was man diesen selbst nicht vorwerfen kann, sind ja schließlich eingestellt worden), und kosten immer mehr, selbst wenn sich die Bevölkerung von Petershagen halbieren würde. Der Stadtrat aber ist selbstverständlich an der Misere nicht Schuld. Der ist ja nur Chef des Ganzen (Amateurchef!!!). Das haben sie ja auch alle gesagt.

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