Vom Stall zur Sattlerei

Gorspen Vahlsen ist um einen Handwerksbetrieb reicher. Am Samstag und Sonntag, den 22. Und 23. September eröffnet die Sattlerei Harnsich ihre neuen Geschäftsräume am Haferkamp. Damit geht ein langgehegter Traum der Sattlerin Anna-Lena Harnisch in Erfüllung.

 

Harnisch, die die Gesellenprüfung zum Sattler als beste ihres Jahrgangsabschloss, ist besonders stolz auf die neue Werkstatt direkt hinter ihrem Elternhaus. „Gleichzeitig das Geschäft aufzubauen und die Werkstatt zu errichten, war eine große Herausforderung, die ich mit der Unterstützung von Freunden, Familie und Handwerkern, aber gemeistert habe“, sagt sie glücklich als sie auf dem Hof, direkt vor den neuen Geschäftsräumen in der Sonne steht.

 

Huculvi.de hatte die Möglichkeit vor einiger Zeit die Großbaustelle der Sattlerei zu besuchen. Lesen Sie hier, wie unsere Eindrücke waren:

 

Es ist wahrscheinlich die seltsamste Baustelle, die momentan in Gorspen-Vahlen in der Frühlingssonne liegt. Drei Jack-Russell-Terrier springen über unzählige Klinkersteine, wuseln zwischen Zementsäcken umher und bellen die Maurer fröhlich an. Ein Pferd steckt neugierig seinen Kopf durch die Rundbogenfenster des Rohbaus. Durch die großen Fenster eines Wintergartens mischt sich ein maschinelles Rattern, das sich unter das Blöken der Esel, das Schnattern der Enten und das Kloppen der Maurer mischt.

 

Die Nähmaschine von Anna-Lena Harnisch, 24 Jahre alt, Sattlerin (das MT berichtete), sticht sich durch ein großes Stück Glattleder. Die Hände der Sattlerin schieben die Tierhaut geschickt und schnell durch die Maschine. Eine Drehung hier, eine Drehung dort und schon ziert eine perfekte, weiße Naht das schwarze Leder. Es sieht so einfach, fast spielerisch aus, dass drei Jahre Lehre kaum ausreichen sollten, um es zu lernen. „Ich habe ja schon früh mit dem Nähen angefangen und wenn man von klein auf mit Pferden arbeitet, entwickelt man schon ein Gespür für Leder.“, sagt die 24-Jährige. Jetzt greift sie nach einer Motorradsitzbank, hält das eben genähte Stück Leder auf die Flanke, nickt zufrieden und beginnt, mit einem Messer an der Naht entlangzufahren. „Ein Sattler kümmert sich ja nicht nur, um Pferdesättel.“, sie tauscht das Messer in der Hand gegen eine Schere aus, „auch Motorradsitzbänke, oder Autolenkräder müssen gesattelt werden.“ Sie steht auf, geht durch den Wintergarten, ihre provisorische Werkstatt, zu einer Vitrine und holt verschiedene Gürtel, Hundehalsbänder, Taschen und Armbänder hervor. „Ich könnte nun noch Sättel, Trensen und Geschirre holen aber dann entstünde der Eindruck, dass der Sattler nur mit Leder arbeitet.“ Draußen zwischen mehreren Rollen Glaswolle, ergreift ein Arbeiter die Flucht vor einem der Hunde, der ihn konsequent auffordert sein Spielzeug zu werfen. Anna-Lena Harnisch grinst, dreht sich wieder zu ihrer Werkbank und zieht einen Pferdesattel unter dem Tisch hervor. „Hier“, sie deutet auf die Wangen, „so etwas muss zum Beispiel gepolstert werden.“ Nach ihrer Ausbildung in Siegen, ging sie nach Mohnheim am Rhein, wo sie die Feinheiten des Sattelanpassens erlernte. „Kein Pferderücken ist gleich, auch kein Reiter-Hintern. Der Sattel ist Verbindung zwischen beiden und muss deshalb auch auf beides abgestimmt sein.“, sie nickt zufrieden. Seit sie sich im September 2011 selbstständig machte, hat sie sehr gut zu tun. In Ostwestfalen gibt es nur zwei weitere Sattler. Einer in Kirchlengern, einer in Löhne. „Es gibt zig Reitvereine in Minden-Lübbecke aber keinen einzigen Sattler. Das wollte ich ändern.“, sagt sie mit bestimmendem Blick.

 

Selbst die Politik ist schon auf sie Aufmerksam geworden. Steffen Kampeter hat sie nach Berlin eingeladen. Nicht nur, weil sie ihre Gesellenprüfung als beste ihres Jahrgangs abschloss, sondern auch, weil sie einen neuen und einzigartigen Handwerksbetrieb in den Mühlenkreis bringt. „Damit alles perfekt ist und ich endlich den Wintergarten meiner Eltern räumen kann, bauen wir die neue Werkstatt.“, die Sattlerin, deutet nach draußen. Der Klinker stammt noch von einem alten Stall, der früher an der Stelle der neuen Werkstatt gestanden hatte. Die Rundbögenfenster und die Holztüren sollen der Werkstatt ein rustikales Aussehen verschaffen. Die Sattlerin ist inzwischen aus der Werkstatt auf den Hof gegangen. „Ich wollte, dass es aufs Dorf passt.“, sagt die Gorspen-Vahlserin nicht ohne ein klein wenig Stolz in der Stimme. Schließlich soll es eine klassische Werkstatt werden, keine neumodische Designboutique. Die Frühlingssonne erhellt den Hof, Pferde und Esel auf der Weide, Enten auf dem Teich und Mittendrin, Anna-Lena Harnisch, 24 Jahre alt, Sattlerin. „Im Sommer ist Eröffnung und ich kann es kaum mehr erwarten!“ Vor der Werkstatt sitzt einer der Jack-Russells mit seinem Spielzeug im Mund, wild mit dem Schwanz wedelnd und den Kopf nach oben gerichtet. Oben auf der Decke des Rohbaus lugt vorsichtig ein Arbeiter über den Rand.

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