Oberbürgermeister Belit Onay: Bilanz und Ausblick nach 100 Tagen Amtszeit

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Hannover. Oberbürgermeister Belit Onay ist am Sonntag (1. März) 100 Tage im Amt. In einer ersten Bilanz und einem Ausblick hat Onay drei Aspekte benannt, die den Beginn seiner Amtszeit bestimmt haben und die er in Zukunft weiterverfolgen wird.

„Die Menschen in der Stadt und in der Verwaltung sind Expert*innen für das Zusammenleben in Hannover. Ihnen zuzuhören, ihre Anregungen und Kompetenzen zielorientiert aufzunehmen, ist von grundlegender Bedeutung. Ich will versuchen, dafür so viel wie möglich auch künftig im direkten Kontakt mit den Menschen zu bleiben“, beschreibt Onay, was seinen Terminkalender in der ersten Zeit besonders prägt.

„Die Verwaltung der Stadt ist viel mehr als ein neuer Oberbürgermeister. Für eine gut aufgestellte Verwaltung, die zum Wohl der Stadt und ihrer Menschen effektiv und innovativ arbeiten kann, braucht es ein starkes Team an der Spitze und viele hochmotivierte Mitarbeitende. Da gibt es einen großen Fundus, aus dem wir schöpfen können“, würdigt Onay das Potenzial und die Leistungen, die er zum Amtsbeginn vorgefunden hat. „Mit der neuen Dezernatsgliederung bauen wir darauf auf. Wir haben Akzente gesetzt und Strukturen geschaffen, mit denen wir die Dienstleistungsqualität der Verwaltung stärken – Stichworte Personalgewinnung, Digitalisierung und Compliance – und Fragen an das künftige Zusammenleben in der Stadt beantworten wollen.“

„Wie wollen und können wir in unserer Stadt leben – heute und zukünftig? Klimawandel, Wohnungsnot, Rassismus und soziale Spaltung der Gesellschaft – diesen Problemen können wir auf kommunaler Ebene Maßnahmen entgegensetzen: ein schlüssiges Mobilitätskonzept, in dem eine autofreie Innenstadt zu noch mehr Lebensqualität führt; die Fortführung der Wohnungsbauinitiative zusammen mit Partner*innen; die Stärkung von Integration und Teilhabe“, benennt Onay als vorrangige Schwerpunkte.

„Wobei es mir auf zwei weitere Aspekte ganz persönlich sehr ankommt. Erstens: Im Sinne der Mitmenschlichkeit wird sich Hannover für Flüchtlinge im Mittelmeer einsetzen und mit dem Bündnis ‚Städte Sichere Häfen‘ zusammenarbeiten und kooperieren. Diesem Selbstverständnis wollen wir auch entsprechen, indem wir mit Blick auf die nicht haltbare Situation von Kindern in griechischen Flüchtlingslagern prüfen, wie Hannover bei einer möglichen Aufnahme Kapazitäten vorhalten kann. Hier ist schnellstmöglich eine humanitäre Lösung gefragt. Zweitens: Wir lassen nicht locker im Engagement gegen Extremismus und Rassismus. Hannover ist eine demokratische und eine weltoffene Stadt. Ich werde alles dafür tun, dass das so bleibt“, unterstreicht Onay.

Handlungsschwerpunkte

Dienstleistungsqualität

  • Personalgewinnung

Wie andere Arbeitgeber*innen steht die Landeshauptstadt Hannover vor der Aufgabe, qualifiziertes Personal für immer komplexere Tätigkeiten zu finden. Bereits im Dezember 2019 hat der Oberbürgermeister die Verwaltung beauftragt, eine Ideensammlung zur Personalgewinnung vor diesem Hintergrund zu erstellen. Sie soll auch dazu dienen, Personalengpässen, wie zum Beispiel in der Elterngeldstelle zu begegnen. Danach baut die Stadt vielfältige Maßnahmen des Marketings für Nachwuchs- und Fachkräfteanwerbung aus (Internetauftritt, Imagefilme, Sonderveröffentlichungen in Medien, Messeauftritte). Mittelfristig sollen die stadteigenen Ausbildungszahlen erhöht, mehr duale Studienmöglichkeiten und andere Qualifizierungen angeboten werden.

Für akute Engpässe aufgrund neuer Aufgaben, Personal-Fluktuation oder Krankheiten werden unterschiedliche Ansätze verfolgt, beispielsweise vorübergehende Vertretungen durch Rentner*innen, Mitarbeitende in Elternzeit oder Kolleg*innen aus anderen Fachbereichen. In Fällen, in denen kein eigenes Personal gewonnen werden kann, können Zeitarbeitsfirmen beauftragt werden. Voraussetzung ist immer, dass die Vertretenden eingearbeitet sind beziehungsweise es sich um kurzfristig erlernbare Tätigkeiten handelt.

  • Digitalisierung

Digitalisierung ist ein gesamtstädtisches Thema, und wird unter dem Stichwort „intelligente Stadt“ unter vielen Aspekten bearbeitet. Zum Beispiel steht der Medienentwicklungsplan im Schulbereich vor der stadtweiten Umsetzung.

Ein besonderer Fokus wird daneben auf digitalen Dienstleistungen für Einwohner*innen liegen. Für das „Digitale Rathaus“ werden zunächst die passenden Verwaltungsstrukturen im neuen Dezernat I erarbeitet – und durch eine Task-Force die wichtigsten Anwendungen, die zum Beispiel das „Onlinezugangsgesetz“ vorgibt, mit den Expert*innen in den Fachbereichen erarbeitet und umgesetzt.

Weitere Themen, die in den kommenden Monaten bearbeitet werden, sind:

    • Dokumentenmanagementsystem
    • Ausweitung der WLAN-Infrastruktur, digitale Bezahlfunktionen
    • Modernisierung von Basisdiensten (Terminvergaben, Bibliothek, Kassenwesen)
    • Baugenehmigung
    • Kfz-Zulassung
    • Wohngeld
    • Voraussetzung dafür ist, dass das Land das Niedersächsische Verwaltungsportal, ein Servicekonto sowie weitere Basisdienste zur Verfügung stellt.

 

  • Compliance

„Compliance“ ist im Weitesten ein gesamtheitliches Management-System, das auf die Einhaltung von gesetzlichen und unternehmensinternen Regeln ausgerichtet ist, um Rechts- oder Regelverstöße zu vermeiden – und damit finanzielle und in der Folge Image-Schäden zu vermeiden. In der Regel geht es im öffentlichen Sektor um Korruptionsvermeidung, Compliance kann aber viel mehr umfassen.

Die Verwaltung der Stadt Hannover verfügt bereits über Vorschriften und Anweisungen, die die Mitarbeitenden vor Fehlverhalten schützen und Hilfestellung bieten, sich regelgerecht zu verhalten. Mit einem neuen Compliance-Leitbild will die Verwaltung eine neue Kultur schaffen – und kann damit zum Vorbild für andere Kommunen werden. Das Wissen darum soll auf eine breitere Basis gestellt werden – mit Hilfe von Schulungen und mit einer internen Beratungs- und Anlaufstelle beim Rechnungsprüfungsamt. Auf Basis der neuen EU-Richtlinie prüft die Stadt zudem, ob eine externe Anlaufstelle etabliert werden kann.

Wie wollen wir (zusammen)leben?

  • Mobilität

Mobilität in der Stadt muss neu gedacht werden. Das Credo der „autogerechten Stadt“ wird zum Credo der mobilitätsgerechten Stadt – fokussiert, engagiert und mutig. Hannover kann auf bereits erarbeitete Konzepte und Maßnahmen aufbauen. Hannover City 2020+, Masterplan Mobilität, Umsetzungskonzept E-Mobilität, Masterplan 100% für den Klimaschutz, Aufbau eines intelligenten Verkehrsleitsystems und andere werden ganzheitlich verbunden – unter Einbeziehung aller Akteur*innen. Die Federführung liegt zukünftig bei der „Stabsstelle Mobilität“.

Ziel ist ein abgestimmter und bedarfsgerechter Mix der Fortbewegungsmittel und digitalen Mobilitätsangebote, mit einem spezifischen Fokus auf die unterschiedlichen Nutzer*innengruppen (Senior*innen, Familien, Pendler*innen, Handel etc.). Denn: Individuelle Mobilität bedeutet heutzutage nicht mehr „eigenes Kfz“, sondern aus der Vielzahl an Fortbewegungsmöglichkeiten und digitalen Anwendungen das auf die persönlichen Bedarfe zugeschnittene Angebot auswählen und wahrnehmen zu können.

Beim Radverkehr werden unter anderem

    • das Umland durch Fahrradschnellwege besser angebunden: Zum Beispiel wird Anfang Juni der Spatenstich zum Radschnellweg Lehrte erfolgen.
    • Radwegestandards angepasst,
    • ortsabhängige Fahrradinfrastruktur in Stellplatzsatzung integriert,
    • Abstellanlagen am Hauptbahnhof und
    • das Veloroutennetz in radialer Verbindung mit der Innenstadt ausgebaut.

Die Innenstadt soll möglichst bis 2030 (weitgehend) autofrei werden – um die Lebensqualität in der Stadt weiter zu steigern. Dafür werden die Straßen im Innenstadtbereich einzeln überprüft, ihre Nutzung identifiziert und charakterisiert. Die gegenwärtigen Diskussionen und Planungen zur Umgestaltung der Schmiedestraße werden auch deshalb unter dem Fokus der autofreien Innenstadt und des gerechten Mobilitätsmix als Ausdruck von urbaner Lebensqualität stehen.

Bei der Umsetzung steht die Qualität im Vordergrund – wichtiger als eine überstürzte Lösung zu präsentieren ist es, alle Interessen zu berücksichtigen (IHK, City-Gemeinschaft, Anwohnende, Tourist*innen, Einkaufende etc.).

Eine autofreie Innenstadt und die wachsende Stadt brauchen einen zuverlässigen und leistungsfähigen Öffentlichen Personennahverkehr ÖPNV. Dies geht nur in enger Zusammenarbeit mit der Region Hannover, die nochmals intensiviert werden soll. Ziel muss sowohl die gute Anbindung der neuen Wohnquartiere im Stadtgebiet als auch der Umlandkommunen sein. Themen sind zudem ÖPNV-Ausbau und –Taktung, attraktive und sinnvolle P&R-Anlagen, Verbindung von Sharing-Angeboten an Haltestellen und eine sinnvolle Gestaltung der Ticketpreise.

Parallel zu diesen Vorhaben darf der Fußverkehr nicht aus dem Blick geraten: Kurze, gute und einladende Wege für alle Bedarfe müssen selbstverständlich sein.

  • Wohnungsbauoffensive

Die Anstrengungen im Rahmen der Hannoverschen Wohnungsbauoffensive 2016 mit Partner*innen aus der lokalen Wohnungswirtschaft und der Stadtverwaltung haben erkennbar dazu beigetragen, dass die Anzahl der Baugenehmigungen in Hannover deutlich gesteigert wurde. Auch die Fertigstellungszahlen im Wohnungsneubau haben in den vergangenen Jahren spürbar angezogen und sind bereits höher als die in der Wohnungsbauoffensive vereinbarten 1.000 Wohneinheiten jährlich. Das Abschmelzen der Zahl der Belegrechte für Einkommensschwache wird unter anderem durch das städtische Wohnraumförderprogramm abgefedert.

Bei einem Treffen mit Partner*innen der Hannoverschen Wohnungsbauoffensive im Februar wurde die Fortführung der gemeinsamen Wohnungsbauoffensive vereinbart. Neben der Notwendigkeit, in der wachsenden Stadt auch in den kommenden Jahren neuen Wohnraum in deutlichem Umfang zu schaffen, wird dabei die wichtige Voraussetzung gesehen, dass dieser Wohnraum auch bezahlbar sein muss. Hierbei rückt zunehmend nicht nur Wohnraum für niedrige Einkommen, sondern auch für mittlere Einkommen in den Fokus. Die Partner*innen und die Stadt werden diesen Herausforderungen in der neuen Vereinbarung begegnen.

Die Wohnungsbauoffensive sieht hierzu mehrere Ansätze: Ein zentraler Aspekt ist die Verringerung der zurzeit hohen Baukosten, weiterhin eine Verbesserung der Fördermodalitäten, ein Einstieg der Genossenschaften in den Bau von Wohnungen mit Belegrechten und teilweise eine Verringerung der Wohnflächen.

  • Migration, Integration

Vor zwölf Jahren hat Hannover den ersten Lokalen Integrationsplan (LIP) aufgelegt. Zurzeit läuft ein umfassender Entwicklungsprozess zur Erarbeitung des LIP 2.0. Es ist hierfür gelungen, ein großes Netzwerk an Expert*innen für die gemeinsame Mitarbeit zu gewinnen. So arbeiten beispielsweise die großen aber auch kleine Migrant*innenselbst-organisationen ebenso am neuen LIP mit, wie auch die Kirchen, Sozialverbände und Gewerkschaften. Dieses breite Bündnis arbeitet mit dem Wissen, dass Hass, Rassismus, Diskriminierung und Gewalt nur mit gesellschaftlichem Diskurs und gemeinsam entgegenzutreten ist. Vor dem Hintergrund des rechtsextremen Mordes an Walter Lübcke, dem Anschlag in Halle und des rassistischen Attentats in Hanau will die Stadt wirkungsvolle öffentliche Zeichen setzen. Dies setzt aber voraus, dass bei der Integration als bedeutender Aufgabe der Stadtgesellschaft eine gleichberechtigte Teilhabe für alle erreicht werden muss. Der LIP richtet sich an alle Menschen in der Stadt. Denn Teilhabe wird nicht von den „Eingewanderten“ oder „Menschen mit Migrationshintergrund“ gemacht, sondern muss von allen realisiert werden. Vor diesem Hintergrund werden die Themen Migration und Integration in einer eigenen Organisationseinheit der Verwaltung zusammengeführt, um auf dieser breiteren Basis Belange zusammenzuführen, zu stärken und voranzubringen.

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