Minden. Das im September 2018 als Pilot gestartete Projekt Mindener Lernfabrik (MILEFA) soll für fünf weitere Jahre fortgeführt werden. Das gaben jetzt die Beteiligten im Rahmen eines Pressegespräches bekannt. MILEFA wird als Leuchtturmprojekt zur Fachkräftesicherung in Minden gesehen und geht weit über die klassische Berufsorientierung hinaus. Partner in diesem Projekt sind die Stadt Minden (Bildungsplanung und Wirtschaftsförderung), die Unternehmen ABB Automation Products GmbH und MINDA Industrieanlagen GmbH sowie die Talentfabrik gGmbH. Zielgruppe des Projektes sind Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 und 10. Im vergangenen Jahr gab es 430 Teilnehmer*innen von fünf weiterführenden Schulen.
Interessierte Schulen erhalten im September 2019 mit bis zu 100 Schülerinnen und Schülern einen Tag lang die Möglichkeit, in der MILEFA Unternehmens-Abläufe nachzubilden. Es werden reale Produkte hergestellt, die zunächst entwickelt und dann vermarktet werden müssen. Wie in jedem Unternehmen gibt es auch eine Verkaufsabteilung, eine Finanzbuchhaltung, eine Personalabteilung und in diesem speziellen sogar eine Kantine. „Das ermöglicht Schülerinnen und Schülern, verschiedene Berufe mit typischen Aufgaben und Tätigkeiten auszuprobieren und Prozessketten innerhalb von Betrieben kennenzulernen“, fasst Jasper Wellbrock von der städtischen Wirtschaftsförderung zusammen. Die MILEFA biete den teilnehmenden Jugendlichen darüber hinaus die Möglichkeit, in Minden ansässige Firmen kennenzulernen – in Gesprächen mit Auszubildenden, Mitarbeiter*innen und Personaler*innen, ergänzt Wirtschaftsförderin Sigrun Lohmeier.
„Bildung ist mehr als nur Schule“, streicht Regina-Dolores Stieler-Hinz, Beigeordnete für Bildung, Kultur, Sport und Freizeit, heraus. Bildung sei mittlerweile ein harter Standortfaktor und habe in Minden eine gute Qualität und einen hohen Stellenwert, so die Beigeordnete weiter. Sie freue sich sehr, dass es gelungen sei, die Mindener Lernfabrik für weitere fünf Jahre fortsetzen zu können. Dafür sei – für die Jahre 2019 bis 2023 – ein insgesamt sechsstelliger Betrag aus mehreren städtischen Budgets zusammengetragen worden. Die MILEFA biete große Chancen für eine gute Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Schule im Bereich Berufsorientierung – mit dem Ziel, Fachkräfte in und für Minden zu sichern.
Nach dem Piloten im September 2018 habe es eine durchweg positive Resonanz gegeben – von den beteiligten Schulen, von den Unternehmen und der Talentfabrik gGmbH, die an das Technikzentrum Minden-Lübbecke e.V. angedockt ist. Das habe letztendlich zu der Entscheidung geführt, das Projekt fortzusetzen, berichtet der städtische Bildungsplaner Philipp Knappmeyer. Das Konzept habe sich grundsätzlich bewährt, es wurde aber auch weiterentwickelt. So werde es mehr Digitalisierung geben, die IT werde eine größere Rolle spielen, so Knappmeyer. Auch sei der Einsatz von Tablets geplant. Die Stadt gehe mit der MILEFA einen innovativen Weg: „Das gibt es nur in Minden“, ergänzt die Beigeordnete Stieler-Hinz.
Das Projekt sei mit den üblichen Berufs-Schnuppertagen und Angeboten auf Ausbildungsmessen nicht zu vergleichen, sagte Jörg Altvater (Bildungsmanagement) vom Unternehmen MINDA Industrieanlagen GmbH. Die MILEFA biete die Chance, unterschiedliche Akteure zusammenzubringen. Die Jugendlichen könnten auch in 2019 unterschiedliche Arbeitsbereiche mit typischen Arbeitsaufgaben der Berufe ausprobieren und damit möglicherweise nicht erkannte Talente entdecken. Als sehr positiv bewertete er auch die Einbindung von Auszubildenden des Unternehmens, die sich hoch motiviert in das Projekt gestürzt hätten. Diese würden den Schülern zur Seite stehen und auch fachliche Tipps geben können, was wiederum ihr Selbstbewusstsein stärke.
Die MILEFA sei eine „schöne Erfahrung“ auch für das Unternehmen ABB Automation Products GmbH gewesen, resümierte Talent Partner Julia Hofhans. Die Schüler*innen hätten viel gelernt und „ihr Bestes gegeben“. Mit dem Projekt konnten sie hinter die Kulissen eines Unternehmens schauen sowie auch komplexe Zusammenhänge und Abhängigkeiten erkennen. Ein praktisches Beispiel lieferte Karin Ressel vom Technikzentrum: „Wenn zehn Produkte bestellt sind und nur acht fertig sind, gibt es ein Problem.“ Oder: „Es fehlen passende Teile für das Produkt, die schnell beschafft werden müssen.“ Eine weitere Herausforderung: Die „Mitarbeiter*innen“ in der Kantine müssen auf den Punkt genau das Mittagessen fertig haben.
Weitere Lerneffekte sind: Plötzlich auftauchende Probleme müssen gelöst und bei Meinungsverschiedenheiten ein Konsens hergestellt werden. Die Mindener Lernfabrik schaffe darüber hinaus auch Synergien und mehr Bildungsgerechtigkeit, da alle Schüler*innen in einem Unternehmen arbeiten und gemeinsam etwas schaffen, das sie vermarkten müssen, so Philipp Knappmeyer.
„Junge Menschen, die kurz vor ihrem Schulabschluss stehen, wissen oft nicht, welche Ausbildung die richtige für sie ist“, weiß Altvater. Eine konkrete Vorstellung von Berufsfeldern fehle häufig und praktische Erfahrungen haben bisher wenige gemacht, wissen die Personaler Jörg Altvater und Julia Hofhans. So kam es 2018 dazu, dass sich ein großer Teil der Schüler*innen für die Marketingabteilung im Projekt beworben hatte, obwohl es dort nur eine begrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen gab. „Das erschien ihnen am attraktivsten“, so Hofhans. Später machten dann viele die Erfahrung in einer anderen Abteilung, die ihnen meist auch sehr gefallen hat.
Auch 2019 wird es für die MILEFA, die vom 23. bis 27. September im „Haus der Bildung“ läuft, im Vorfeld ein Bewerbungsverfahren geben, das aber nun in die Schulen zur Vorbereitung verlegt wurde. Mittelfristiges Ziel ist es, die MILEFA als Marke herauszubilden. Weitere Unternehmen können sich in das Projekt einbringen. Das wünschen sich neben der Stadt Minden auch MINDA und ABB.
Bildnachweis: © Pressestelle der Stadt Minden