Kurz vor dem Abgrund

Minden: Gute Aussichten können sich mitunter ins Gegenteil verkehren. 

 

Der traumhafte Blick über die Weser direkt am Hang zum Ufer kann zum Albtraum werden. Da wird die gute Wohnlage plötzlich zum Kassenschlager, wenn der Hang abrutscht und die Sohlplatte (Bodenplatte) des Gebäudes freien Einblick gewähren.

 

Trügerische Sicherheit

In der besonderen Lage am Weserhang sind die Grundstücke begehrt, denn der Blick über den Weserfluss und den unbebauten Weserwiesen auf der anderen Seite lässt man sich schon etwas kosten. Hoch über der Weser wähnt man sich in Sicherheit und fühlt sich unbedroht von allen Hochwassern, die mitunter sogar bis in die Altstadt von Minden eingedrungen sind.

 

Wie eine Perlenkette reihen sich die Gebäude entlang dieser Hangkante vom Mindener Nordfriedhof bis nach Todtenhausen Richtung Norden. Mit den Jahren haben sich dort die Lücken immer mehr gefüllt und villenartige Gebäude mit großen Terrassen erhoben sich burgartig über der Weser.

 

Lage, Lage, Lage

Der gute und teure Blick verleitete dazu, möglichst nahe am Rand der steil abfallenden Böschung zu bauen. Die dort zuvor gestandenen Bäume verschwanden sukzessive, bis der Blick ungestört in die Ferne schweifen konnte. Der Abhang wurde dann teilweise gestaltet mit Mauern, Plätzen, Wegen und gestaltetem Buschwerk, so dass die oft repräsentative Erscheinung vom unten an der Weser entlang führenden Radwanderweg aus bewundernde Blicke hervor rief.

 

Natürliche Grenzen

Bedacht wurden dabei jedoch nicht die tektonischen Gegebenheiten, die dann dazu führten, dass der Abhang seinen Halt verlor und abrutschte bis in die Weser hinein. Nun liegen bei zwei Gebäuden die Sohlplatten blank und es droht bei weiterem Starkregen, dass der Hang weiter abrutscht und letztlich die Gebäude zum Absturz bringen kann.

 

Bis zu 150 Liter pro Quadratmeter betrug teilweise die Regenmenge durchschnittlich in 24 Stunden. Umgestürzte Bäume, Keller- und Straßenüberflutungen prägten das Bild in der Stadt Minden und seinen Nachbargemeinden. Kleinste Gräben und Bäche schwollen in kürzester Frist an.

 

Besonders ergiebige und flächendeckend gefallene Niederschläge haben in Ostwestfalen und  angrenzend in Niedersachsen zu einem außergewöhnlichen Hochwasser geführt. Betroffen  waren neben Minden-Lübbecke, die Stadt Bielefeld, die Kreise Herford und die niedersächsischen Landkreise Osnabrück und Schaumburg.

Die Kanalisation der Straßen konnte die aufkommenden Wassermassen teilweise nicht mehr bewältigen. Die Feuerwehr war pausenlos im Einsatz, um zahlreiche überflutete Keller leer zu pumpen.

 

Die Starkregen der letzten Tage haben nun die Grenzen der Baumöglichkeiten und des Ignorieren der tektonischen und natürlichen Gegebenheiten aufgezeigt.

 

Tektonik nicht beachtet

Die Gebäude an der Abrisskannte zur Weser stehen nämlich auf einer sich steil absenkenden Schieferplatte, die sich vom Westen her Kilometer weit bis an die Weser heran zieht und dort plötzlich und steil abfällt. In Urzeiten haben sich dann Bodensedimente dort angelagert, die dann von der Weser abgespült wurden und zu den Abrisskanten geführt haben. Diese Steilhänge waren durch einen alten Baumbestand gesichert und verloren durch das Abholzen ihren letzten Halt. Immer wenn man dort mit dem Fahrrad entlang fährt, kann man beobachten, dass aus dem Steilhang Wasser in kleinen Rinnsalen austritt, das dann in die Weser unmittelbar einläuft. Dieses Wasser läuft als versickertes Oberflächenwasser auf der absperrenden Ton- und Schieferschicht Richtung Weser. Durch die Starkregen wurden die Rinnsale zu kleinen unterirdischen Bächen, die dann den Abhang mit dem zusätzlichen Regen von oben so durchtränkten und unterspülten, dass dieser auf der Schieferplatte wie auf einer Rutschbahn ab glitt bis in die Weser hinein.

 

Retten, was zu retten ist

Nun gilt es, den Abhang zu sichern und das was vorher die Bäume bewirkten, müssen nun teure Pfählungen übernehmen, die als Betonpfähle bis in die Halt gebenden Tonschichten eingebaut werden müssen, um ein Nachrutschen zu verhindern. Das geht in die Zehntausende und kann leicht die Hunderttausend überschreiten. Das sind weniger gute Aussichten aber immerhin verhindert es den letzten Schritt in den Abgrund.

 

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