Hannovers neuer grüner Oberbürgermeister Onay mit neuen Zielen

Altstadt Hannover. Copyright: Martin Kirchner/HMTG

Oberbürgermeister stellt seinen Kandidaten für die Leitung des Baudezernates vor: „Einen neuen Blick auf die Stadt werfen“
Hannovers Rolle als Zentrum mit Strahlkraft stärken, die Innenstadt attraktiv gestalten, bezahlbaren Wohnraum schaffen, die Bürger*innen mehr einbinden: Darin sieht Thomas Vielhaber besondere Herausforderungen für die Landeshauptstadt. Der 59-jährige Bauexperte und Raumplaner wurde jetzt auf einer Pressekonferenz im Neuen Rathaus von Oberbürgermeister Belit Onay als Kandidat für die Leitung des Baudezernats der Landeshauptstadt vorgestellt.

Die Wahl von drei neuen Dezernent*innen in der Ratsversammlung ist für den 24. September terminiert. Neben der Leitung des Baudezernates sind auch die Leitungen für das Sozialdezernat sowie für das Personaldezernat neu zu besetzen. Belit Onay betonte, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Thomas Vielhaber. „Er ist ein Gestalter, ein ausgewiesener Experte mit viel Erfahrung und ein Netzwerker.“ In der Stadt Arnsberg, in der er als Planungs- und Baudezernent tätig ist, sei es Thomas Vielhaber gelungen „starke Akzente zu setzen“, meinte Onay.

„Auch mal Experimente wagen“

Vielhaber warb auf der Pressekonferenz dafür, „einen neuen Blick auf die Stadt zu werfen und manchmal auch experimentelle Wege zu beschreiten“. Eine zentrale Aufgabe werde es sein, die Rolle der Landeshauptstadt als Zentrum zu stärken. Dazu brauche es passende Infrastrukturen bei guter Erreichbarkeit. Einen Schwerpunkt sieht Vielhaber in der Stabilisierung der Innenstadt. Der Einzelhandel mit seiner Leitfunktion werde durch den wachsenden Online-Handel und verändertes Kaufverhalten auf die Probe gestellt. Corona beschleunige diese Entwicklungen. Aufwerten ließe sich die Innenstadt, indem der „Nutzungsmix“ ausgebaut werde – etwa durch das stärkere Einbringen weiterer Funktionen wie Wohnen und Arbeiten, Kultur, Sport und Freizeit. Der Umbau von Plätzen, Straßen, Wegen und Grünflächen sei ein begleitendes Instrument, um Aufenthalts- und Lebensqualität zu verbessern. „Die Stadt ist heute mehr als Einkaufs-, Wohn oder Arbeitsstandort“, stellte Vielhaber fest.

Auf dem Weg zur autofreien Innenstadt müssen nach Ansicht Vielhabers die vom motorisierten Individualverkehr ausgehenden Belastungen wie Platzbedarf, Lärm, Abgase und Unfallgefahr möglichst zügig reduziert werden. Der Raumgewinn werde Radfahrer*innen und Fußgänger*innen zugute kommen. Auch Flächen für Spiel und Sport, für Außengastronomie oder als Ruhezonen seien denkbar. Der Klimaschutz gewinne an Stellenwert. Lange Hitze- und Trockenperioden in großflächig versiegelten und schlecht durchlüfteten Städten seien belastend für Mensch und Natur. Vielhaber forderte ein Umdenken auf lokaler Ebene. Der Ausbau dezentraler Versorgungs- und Infrastrukturen sei einer von vielen richtigen Schritten, klimaschonendes Bauen ein weiterer.

Wohnungsmarkt unter Druck

Den Wohnungsmarkt in Hannover sieht Vielhaber „unter Druck“. Aufgrund der Boden- und Baupreise fielen preiswerte Wohnungen oft durchs Raster. Kommunale Wohnbaugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften könnten hier erhebliche Beiträge liefern, den Wohnungsmarkt aber nicht allein entlasten. Vielhaber plädiert für gemeinsame Ansätze von Wohnungsunternehmen, Immobilienwirtschaft, Sozialverbänden, Kommune und anderen Institutionen.

Vielhaber sprach sich für mehr Teilhabe und einen stärkeren Dialog mit den Bürger*innen aus. Die Bürger*innen-Beteiligung früherer Prägung funktioniere nicht mehr. Themen- oder projektbezogen sei über die jeweils angemessene Form der Partizipation – zwischen Mitwirkung und Information – nachzudenken. Offenen Foren und Bürgerwerkstätten stünden jedoch oft formalisierte, rechtlich vorgegebene Abläufe gegenüber, die gerade von jungen Menschen kaum noch wahrgenommen würden.

Baukultur stärkt Identifikation

Als „harten Standortfaktor“ bewertet Vielhaber die Baukultur. Sie umfasse auch den Planungs- und Vermittlungsprozess und trage zur Identifikation und Bindung der Bürger*innen an ihr Quartier und ihre Stadt bei. Dabei könnten Entscheidungsprozesse und -ergebnisse zu Fragen der Stadtgestaltung und Architektur vielfach auch öffentlich beraten werden, ohne ihren fachlichen Hintergrund zu verlieren. Eines von mehreren Instrumenten sei der Gestaltungsbeirat, der – extern besetzt – Verwaltung und Politik in schwierigen Fragen fachlich unterstützt.

Vielhaber plädierte dafür, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Er sieht außerdem die Notwendigkeit, weiter in die Stadt zu investieren. Dabei gehe es neben Bestandserhalt und -sanierung auch um neue Angebote, etwa im Bildungs- und Betreuungsbereich oder für Sport und Naherholung. Um die Stadt als Wirtschaftsstandort zu stärken, gelte es, den Bereichen Industrie, Gewerbe und Logistik „zukunftsfeste Bedingungen“ zu bieten. Die Stadt könne ihre Gestaltungsmöglichkeiten vom Bodenmanagement über Standortmarketing, Beratung und Förderung bis zum Planungsrecht einsetzen.

In der Stadt Arnsberg setzte Thomas Vielhaber als Planungs- und Baudezernent seine Schwerpunkte unter anderem in der nachhaltigen Stadtentwicklung und Stadterneuerung, in den Themen Baukultur und Historische Stadt, in der Wohnungs- und Wohnbauflächenpolitik sowie in der Verkehrsplanung. Der Diplom-Ingenieur für Raumplanung wirkt in zahlreichen Arbeitsgruppen auf regionaler Ebene und überregionaler Ebene mit – so ist er etwa in die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung berufen.

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