Petershagen: Jeder der mit Bauen zu tun hat oder sich damit beschäftigt, kennt das Problem der Bauunternehmen und Investoren.
Es fehlen freie Flächen und vor allem in guten Lagen.
Da wundert man sich nicht, dass die Sportplätze von Petershagen immer wieder Begehrlichkeiten wecken, denn sie liegen inzwischen in der Mitte der Stadt. Zentraler geht kaum. Voll erschlossen und in sehr ruhiger Lage befinden sich zwei Freiflächen, um die sich jeder Investor und Bauunternehmer ein Bein ausreißen würde.
Wie der Geschäftsführer der Mindener Immobilienfirma Konzept Immobilien GmbH, Carl Buschmeier dazu äußerte, erhält er jede Woche Anfragen, wo und ob solche Flächen zur Verfügung stehen.
Hier handelt es sich um Filet – Flächen, die es so kaum noch gibt. Ein wahrer Goldschatz.
Sportler*Innen nicht gefragt
Es stellt sich nun die Frage, warum jede freie Fläche zwingend bebaut werden soll, zumal die Sporttreibenden hier scheinbar überhaupt nicht gefragt worden sind und so verdrängt werden. Das alles wurde bereits seit den 80ziger Jahren ausführlich diskutiert und der Tenor war bisher, die Flächen für ihren jetzigen Zweck frei zu halten.
Seit 1986 sind die Sportplätze im Fokus
Bereits 2004 gab es Pläne, die Plätze zu bebauen. Ein neues Einzelhandelsgutachten im Auftrag der Stadt Petershagen schlug vor, in Petershagen die Sportplätze mit einem Einkaufsmarkt und Wohnhäusern, in Lahde der Bismarckplatz mit einem Einkaufsmarkt zu bebauen. Auch 1986 waren das die Vorschläge eines solchen Einzelhandelsgutachtens die damals in die Tat umgesetzt werden sollten.
Für die Bebauung des Hauptsportplatzes gab es auch schon einen Investor aus Porta Westfalica, der dort einen Markt für Edeka errichten wollte, trotz des bestehenden Marktes von Röthemeier an der Sparkassenstraße / Hauptstraße.
Die dann erfolgte Unterschriftensammlung der Bürgerinitiative gegen dieses Vorhaben wurde sogar von Röthemeier unterstützt, denn es durften in seinem Markt Unterstützerunterschriften gegen die Bebauung gesammelt werden.
Bekanntlich konnte das Vorhaben verhindert werden.
Statt dessen wurden dann 2009 die beiden zum Denkmalschutz vorgesehenen Gebäude Hauptstraße 38 und 40 zugunsten des neuen Marktes von Röthemeier abgerissen.
Die Interessen der Bürger*Innen
Nun steht wieder das Thema Bebauung der Sportplätze an und erneut ergibt sich die Frage, ob das wohl im Interesse der Bürger sei.
Wenn es schon ausreicht aus der Sicht des Bürgermeisters, aus der Teilnahme von 30 Interessierten an einer formalen Bürgerbeteiligung zu schlussfolgern, dass die Bürger*Innen der Stadt den Planungen für ein Gesundheitszentrum auf dem Nebenplatz der beiden Sportplätze den Planungen positiv gegenüber stehen würden, dann sind das gerade einmal 0,75 Prozent aller Bürger*Innen, die das mitbekommen haben und dann vielleicht gerade die, die ärztliche Vollausstattung eher wünschen als alle die, die gerne ihren Sport auf dem Platz betreiben wollen, damit sie eben möglichst nicht oder wesentlich später auf Ärzte angewiesen sind.
Glückwunsch Herr Berning
Sollte es nun zu der Umsetzung der Pläne des Investors Jörg Berning kommen, dann kann man ihm aus Inverstorensicht nur gratulieren, dass er das so hinbekommen hat. Besser geht es kaum, ein gutes Geschäft zu machen, denn was bisher keinem gelungen ist, scheint ihm nun relativ leicht zu gelingen.
Wenn man nun bei diesem Vorhaben einmal eine Analyse der Vor- und Nachteile vornimmt, so fällt lt. dem Bericht des MT vom 07.02.2022 gleich auf, dass nicht alle begeistert sind. Die Betroffene und Apothekerin Claudia Brase, die ihre Apotheke mitten im Ort hat, bringt es auf den Punkt. Auch die Sportler sind noch gar nicht zu Wort gekommen und werden sicher nicht begeistert sein.
Das Ärztehausmodell
Wenn man von einem Ärztehausmodell spricht, dann ist ein solches Zentrum immer mit Ärzten, Physiotherapeuten und ähnlichen Dienstleistern besetzt und eine Apotheke ist dabei ein absolutes Muss.
Die Ärzte bringen die Kunden (Zielkundschaft), die Apotheke (Laufkundschaft) das Geld.
Das spiegelt sich dann auch in den Mietpreisen wider, die bei den Ärzten niedriger, bei der Apotheke deutlich höher sind.
Nur eine hohe Auslastung können das Modell erfolgreich machen und daher muss die Konzentration intensiv gelingen.
Immer dann, wenn solche Zentren errichtet worden sind, blieb den Apotheken meist nichts anderes übrig, als in das Zentrum zu wechseln, da ihnen sonst die Kunden fehlen würden.
Das konnte man in Minden sehr gut beobachten. Auch für die Ärzte entsteht ein solcher Sog, dass letztlich auch Ihnen nichts anderes übrig blieb, als ihre Praxis aufzugeben und ebenfalls in das Zentrum zu wechseln.
Wachsen oder Weichen
Grundsätzlich geht der Trend zunehmend zu Konzentrationen in allen Branchen zu Lasten der Kleinen. Ein kapitalistisches, marktwirtschaftliches Grundprinzip. Das sieht man im Lebensmittelbereich, wo es inzwischen nur noch vier Unternehmen in Deutschland gibt: Aldi, Lidle, Edeka, Rewe.
Das Gleiche passiert in der Landwirtschaft, Kleine werden von den Großen geschluckt. Alle Branchen sind davon letztlich betroffen.
Modelle einer Konzentration in Petershagen
Auch bei der Errichtung des neuen EDEKA – Markt 2009 hat es einen Konzentrationsprozess gegeben, denn einige Einzelhändler sahen sich gezwungen, in Räume vom Eigentümer Röthemeier zu wechseln, u.a. Eiscafé, Apotheke usw..
Die früheren vielen kleinen Lebensmittelläden sind schon Jahre zuvor verschwunden und von den Großen verdrängt worden.
Auch die Supermärkte in Lahde haben zu Schließungen Kleinerer geführt, u.a. in Windheim.
Mit einem Ärztezentrum findet ein weiterer Konzentrationsprozess auf anderem Gebiet statt. Einzelkämpfer, also Inhaberpraxen haben dann kaum noch eine Chance und werden dann auch verschwinden.
Damit vergrößert sich aber nicht das medizinische Angebot, sondern es findet ein reiner Konzentrationsprozess zugunsten des Investors statt. Bereits zwei Ärzte, haben angekündigt, ihre alten Praxen zu Gunsten des Zentrums zu verlassen, was u.a. auch wieder Leerstand erzeugt.
Große Stadt sticht Land
Auch wenn der Bürgermeister Breves die Bedeutung eines zukünftigen Gesundheitszentrum betonte, so schafft das aber keine zusätzlichen Ärzte, wie der Bürgermeister klar erkannt hat. Die Situation hat er auch richtig beschrieben, wenn er lt. MT sagt: „große Stadt sticht Land“.
Zusätzlich scheuen jüngere Ärzte als Einzelkämpfer den zunehmenden bürokratischen Aufwand und die prekäre Personalsituation. Eine Gemeinschaftspraxis ist da sicher eher eine Zukunftsoption, wie man z.B. in Kutenhausen beobachten kann. Hier gibt es scheinbar keine Probleme zusätzliche Ärzte zu finden.
Klassischer Weise verkaufen Ärzte ihre Praxis, wenn sie aufhören wollen, doch zugegeben ist es auf dem Land schwer, Nachfolger zu finden, obwohl es sogar Prämien bis zu 50.000,-€ dafür gibt.
Das ist aber kein neues Phänomen, denn nach dem Tod des Vaters (Arzt in Petershagen) des Autors, war es bereits auch 1983 so gut wie unmöglich, die gut gehende Praxis an einen Nachfolger abzugeben. Kein Arzt wollte damals nach Petershagen.
Ursachen der Landflucht
Was hier grundsätzlich richtig ist, muss aber nicht in jedem Fall stimmen.
Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass es nach dem Ärztezentrum kein zurück mehr gibt zu dezentralen Strukturen. Die Sogfunktion sollte man dabei nicht unterschätzen.
Es darf bezweifelt werden, dass durch ein solches Zentrum wesentlich mehr Ärzte nach Petershagen kommen würden.
Allein mit „Stadt sticht Land“ zu argumentieren ist da fehl gegriffen.
Wenn man entsprechende Untersuchungen liest, warum diese Entwicklung stattfindet, und wie man diese verhindern kann, stößt man immer wieder auf drei wesentliche Gründe: Infrastruktur, Kultur und Stadtansicht.
Das nämlich ist die Stärke und die Anziehung einer Stadt. Schöne Architektur, Theater, Aufführungen, Veranstaltungen, Cafés, Kultur, Kultur und nochmals Kultur.
Wenn die Menschen schon sagen, hier ist doch nichts los oder hier möchte ich nicht tot über dem Zaun hängen, dann sollte man sich fragen, was hat die Stadt da bisher auf den Weg gebracht. Was in Petershagen überhaupt vorhanden ist, sind Ergebnisse von Einzelkämpfern, wie das wunderbare Kulturrestaurant Mehdi im Alten Amtsgericht, die Synagoge, die Cafés, die Dienstleister und die wenigen liebevoll restaurierten Gebäude.
Bürgerbeteiligung an Entscheidungsprozessen
Das was wirklich fehlt ist die Bürgerbeteiligung, nicht im planerischen Sinne, sondern nur eine echte dauerhafte und zukunftsfähige Beteiligung der Bürger an Planungen und Zusammenarbeit. Die Bürger vor Ort sind ein unerschöpfliches Reservat an Ideen und Aktivitäten. Hannover ist da vorbildlich, da ist eine weitreichende Bürgerbeteiligung durch den Rat beschlossen worden und mit klaren Handlungs- und Kompetenzzuweisungen versehen worden. Da wurde erkannt, dass die Stadt den Bürgern gehört und nicht einigen wenigen Investoren (obwohl die auch gebraucht werden).
Wo sollte eine neue Sportanlage entstehen?
Zu guter Letzt und eigentlich zu Erst muss man sich Gedanken machen, wo denn nun eine Ersatzsportanlage entstehen könnte. Auch 2004 gab es die selben Fragen. Wo sollte denn eine solche Anlage als Kompensation entstehen? Es gab Vorschläge, diese westlich der B 61 zu errichten, ohne überhaupt dazu klare Planungsgrundlagen zu haben. Das Ergebnis war eindeutig. Es gab und gibt dafür keine anderen geeigneten Flächen.
Stadtentwicklungskonzept schon 2004 mehrheitlich abgelehnt
Auch damals, 2004, schon wurde trotz entsprechender Vorschläge im Rat ein Stadtentwicklungskonzept von der Mehrheit im Rat (CDU) abgelehnt, da es scheinbar von der falschen Seite kam. Damit hätte man dann das gesamte Stadtgebiet auf vorhandene Flächen untersucht und ihren Möglichkeiten, dem zukünftigen Bedarf, wie eben auch ein Gesundheitszentrum, Infrastruktur und Kultur. Statt dessen wurde ein Einzelhandelskonzept beschlossen, dass nun schon zum zweiten Mal in Auftrag gegeben wurde mit fast identischen Ergebnissen aber höheren Kosten und sich nur mit dem Einzelhandel in der Innenstadt beschäftigte. Das restliche Stadtgebiet wurde ignoriert. So gibt und gab es auch keine Leitplanung, die durch Bebauungsplanungen und Überplanung des gesamten Stadtgebietes eine geordnete und zukunftsgerichtete Stadtentwicklungsplanung ermöglicht hätte. So wird auch heute immer noch gebaut, wie es gerade kommt, angepasst an den Interessen der Bauwilligen und nicht der zukunftsorientierten Stadtentwicklung. So wundert es nicht, dass keine geeigneten Flächen für ein größeres Projekt wie ein Ärztezentrum vorhanden sind. Auch auf dem Burgmanskamp war ursprünglich ein Sportplatz vorgesehen gewesen. Nachdem man die Fläche über 30 Jahre gehalten hatte, was die Stadt ca. 500.000,- € Erbpacht gekostet hatte, wurde das aufgegeben, da man eine Bebauung rundherum zugelassen hatte, die einen Sportplatz anschließend unmöglich machten. Nun ist diese Fläche auch vollständig zugebaut. Planlos in die Zukunft.
Die Alternative
Wer nun unbedingt dem Investor eine Fläche bieten will, sollte vielleicht lieber die Flächen auf dem Hopfenberg ins Auge fassen, denn dort wäre Raum für ein Ärztezentrum aber nicht für eine Sportplatzanlage.
Eine weitere Alternative wäre, auf das Projekt zu verzichten, denn man muss sich auch vergegenwärtigen, dass man eine wertvolle Freifläche und Sportanlage verlieren würde. Weg ist weg, und ein Ärztezentrum ist keine Garantie für mehr Ärzte in Petershagen.