Auch über Nazis darf gelacht werden

Minden. Die „Woche der gegenseitigen Achtung“ ist im Mindener Rathaus von Bürgermeister Michael Buhre eröffnet worden. Die Veranstaltungsreihe wurde ins Leben gerufen, um darauf aufmerksam zu machen, wie vielfältig und bunt die Mindener Zivilgesellschaft ist. Noch bis zum 6. Dezember besteht die Möglichkeit Film- und Theateraufführungen zu besuchen und an Diskussionsabenden teilzunehmen.

 

Hintergrund ist das Ende der Förderung durch das Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“. Das Programm ermöglichte in den vergangenen Jahren die finanzielle Unterstützung von lokalen Ideen und Projekten zum Thema Demokratieentwicklung, Stärkung der Zivilgesellschaft und der Zivilcourage. Ebenfalls ins Leben gerufen wurde der Lokale Aktionsplan (LAP) in Minden. „Er schaffte eine gute und wichtige Grundlage ziviles Engagement und demokratisches Verhalten vor Ort zu fördern, ein Zeichen zu setzen für Toleranz und gesellschaftliche Vielfalt und gegen die Ausgrenzung von Menschen“, betonte Buhre in seiner Eröffnungsrede.

 

Der Lokale Aktionsplan war auf vier Jahre Förderungsdauer ausgelegt. In dieser Zeit sind in Minden insgesamt 69 Projekte mit 335.000 Euro Fördermittel realisiert worden. Umgesetzt wurden unter anderem das Projekt des Geschichtsvereins zur Erinnerungskultur, das Projekt des Fördervereins der Kurt-Tucholsky-Schule zur Ausbildung von Web-Wächtern, der „Interkulturelle Garten“ in Bärenkämpen oder die Gründung des Bündnis´„Minden gegen Rechts“. In diesem Jahr konnten durch Einzelprojekte insbesondere Kinder und Jugendliche angesprochen werden. Ebenfalls konnte auf aktuelle Anforderungen wie beispielsweise die derzeitige Flüchtlingssituation reagiert werden. Hier sind für die Zukunft nachhaltige Strukturen entstanden, die ausbaufähig sind.

 

Im Großen Rathaussaal begrüßte der externe Koordinator des LAP und Moderator des Abends, Karl-Heinz Ochs, Referatsleiter Thomas Heppener. Heppener ist im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unter anderem für das Nachfolgeprogramm des Bundes „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ verantwortlich. Das Interesse des LAP am Folgeprogramm wurde seitens der Stadt Minden bereits bekundet. Eine Entscheidung darüber steht noch aus.

 

„Die Interessenbekundung der Stadt Minden ist im Ministerium sehr positiv aufgenommen worden. Ich habe die Hoffnung, dass auch 2015 die vielen guten Projekte weitergehen und neue hinzukommen“, unterstreicht Thomas Heppener. In seinem Grußwort betonte er, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bereits im kleinen, im eigenen Umfeld beginnen. Die Menschen sollen zusammenstehen, nicht wegschauen und immer wieder aktiv sein und dadurch Mitmenschlichkeit schaffen. Für kommende Aufgaben braucht es Kraft, Motivation und Ausdauer, so der Gast aus Berlin.

 

Seit vier Jahren engagiert sich Karl-Heinz Ochs mit Unterstützung der beiden internen Koordinatorinnen Sabrina Bornemann und Christina Mohme (beide Stadt Minden) für den Lokalen Aktionsplan. Bei seiner Arbeit steht die Netzwerkarbeit und die Netzwerkpflege im Vordergrund. „Im Jahr kommt es schon mal vor, dass ich mit meinem Privatwagen um die 3000 Kilometer zurückgelegt habe. Mir kommt es darauf an, nicht nur hier vor Ort, sondern auch überregional organisiert zu sein. Je besser das Netzwerk ist, desto weniger Platz haben rechte Strukturen“, sagt Ochs. Auch für das kommende Jahr sieht er die Möglichkeit mit dem LAP weiterzumachen.

 

Obwohl die finanziellen Mittel stark gekürzt werden, wird es in Minden weitergehen. Pläne dafür gibt es bereits. So ist im neuen Programm ein Jugendforum zwingend vorgesehen. Eine Fahrt zum ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt im Januar 2015 ist ebenfalls bereits geplant. Die Beteiligung der Menschen an den politischen Entscheidungen, die direkte Einflussnahme auf Prozesse, fördere die Entwicklung von demokratischen Strukturen. Der Beteiligungsprozess der Stadt bei der Neugestaltung der Fußgängerzone sei ein gutes Beispiel dafür, dass breite gesellschaftliche Ebenen angesprochen werden müssen. „Trotz knapper Ressourcen werden wir uns in Minden weiterentwickeln“, fasst Ochs abschließend zusammen.

 

Die „Woche der gegenseitigen Achtung“ verdeutliche, dass die Stadt Minden für Demokratie und Vielfalt stehe. Die bisher realisierten Projekte setzten ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus und für gegenseitige Achtung. „Gegenseitige Achtung ist eine große Herausforderung für Politik und Gesellschaft“ – das sagt Micha Heitkamp, Mitbegründer des Bündnis´ „Minden gegen Rechts“.

 

Heitkamp greift in seinem Impulsreferat die These auf, dass die Pluralität der Menschen die Voraussetzung für Politik und das Funktionieren einer lebendigen Gesellschaft ist. Im Jahr 2011, vor dem Hintergrund der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), hielten zahlreiche Minderinnen und Mindener eine Mahnwache ab. Unterstützt vom LAP und mit tatkräftiger Beteiligung durch Bürgermeister Buhre, zeigte das breite Bündnis, dass Gewalt kein Mittel zur Durchsetzung von Forderungen sei. „Rechte Strukturen reichen bis in die Mitte unserer Gesellschaft. Die Menschen sind verunsichert, sie haben Angst. Ihre Unsicherheit äußert sich oftmals in fremdenfeindlichen Aussagen“, so Heitkamp. Strukturen einer lebendigen Demokratie brechen Fremdenfeindlichkeit auf. Erst wenn Menschen erinnern, diskutieren und zuhören, erst dann können sie auch gemeinsam gestalten.

 

Das politische Theater odos aus Münster spielte zum Abschluss der Eröffnungsveranstaltung die Satire „Schöner leben ohne Nazis“. Die Darsteller brachten den Zuschauerinnen und Zuschauern das Thema Alltagsrassismus und Nazis näher. Durch das eindrückliche Spiel wurde dieses wichtige Thema der Öffentlichkeit wieder ins Gedächtnis gerufen. Das Stück verdeutlicht – auch über Nazis darf gelacht werden.

 

 

Bildquelle: Pressestelle Stadt Minden

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