Kommunalwahl 2020 in NRW

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Die Tricks der Parteien
NRW/gk. Fast unbemerkt und überdeckt von der Berichterstattung über das Coronavirus, nähert sich die Kommunalwahl, die am 13. September 2020 stattfindet.
Ein nicht unwichtiges Ereignis, denn es geht um die direkte Betroffenheit und Einflussmöglichkeit der Bürger vor Ort.

Nach mehreren Experimenten mit dem Wahlprozedere für Bürgermeister und Parteienwahl gibt es jetzt wieder eine einheitliche gleichzeitige Wahl der Gemeinde- und Ratsmitglieder, der Kreistagsmitglieder gemeinsam mit der Wahl von Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten, somit die Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene. Als Besonderheit werden in kreisfreien Städten (zum Beispiel Köln und Düsseldorf) Stadträte, Bezirksvertretungen und Oberbürgermeister gewählt.

Erstmals wird auch am Wahlsonntag das Ruhrparlament als die regionale Vertretung der elf kreisfreien Städte und der vier Kreise des Ruhrgebiets direkt gewählt. Dafür erhalten die betroffenen Bürger jeweils einen weiteren Stimmzettel.

Änderungsversuche beim Wahlgesetz

Je nach Interessenlage haben die Parteien versucht, das Wahlgesetz so zu ändern, dass die Wahl für sie besonders vorteilhaft ausgehen würde. Nur gerichtliche Entscheidungen haben letztlich diese Entscheidungen gekippt und den aktuellen Zustand hergestellt.

1994 Doppelspitze wird abgeschafft

In NRW gab es bis 1994 eine Aufteilung sowohl in einen Chef der Verwaltung und Vertreter der Kommune in allen Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten (Oberstadt-, Stadt- bzw. Gemeindedirektor), als auch den ehrenamtlich tätigen Bürgermeister als Vorsitzenden des Rates. Nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 war dieses System von der britischen Besatzungsmacht eingeführt worden. Es wurde auch als kommunale Doppelspitze bezeichnet.

Nach dem Beschluss des Landtages NRW 1994 zur Abschaffung der Doppelspitze wurden die nun hauptamtlichen Bürgermeister zunächst einmalig noch vom Rat gewählt. Der Posten des Stadtdirektors entfiel. Damit war der Bürgermeister gleichzeitig als politischer Chef Impuls- und Richtliniengeber, aber auch Chef der Verwaltung und somit weisungsbefugt. Er konnte somit mit der Verwaltung im Rücken seine politischen Ziele leichter durchsetzen. Insbesonders der SPD, die zu ihren Blütezeiten in den großen Städten die Mehrheit hatte, war es in den großen Städten früher immer ein Dorn im Auge, wenn die Verwaltung ihre eigene Politik machte und durch ihre Verwaltungskenntnisse und -macht eine Konkurrenz zu den Räten bildete. Das führte häufig zu Machtkämpfen und erforderte eine eigene Kompetenzabteilung bei den Parteien, um dem entgegenhalten zu können.
In manchen Städten, z.B. der Kleinstadt Petershagen https://www.huculvi.de/neuwahl-des-hauptamtlichen-buergermeisters , führte dieser Übergang dann auch zu skurrilen Ergebnissen und taktischen Raffinessen.

1999 Hauptamtlicher Bürgermeister neu

Seit der Kommunalwahl 1999 erfolgte die Direktwahl der hauptamtlichen Bürgermeister in Städten und Gemeinden durch die Bürger für eine Amtszeit von fünf Jahren. Damit wurden die Rats- Gemeindemitglieder und Bürgermeister in einem Wahlgang zeitgleich gewählt.

2005 Bürgermeisterwahl nun extra

Erstmal musste 2005 die SPD die Regierung in NRW seit Ende des Krieges abgeben. CDU und FDP unter Rüttgers bildete von 2005 bis 2010 die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Damit ergab sich für die CDU die Möglichkeit, das Wahlrecht auf kommunaler Ebene zu ändern und die Wahl des Bürgermeisters wurde auf 6 Jahre verlängert. Man erhoffte sich dadurch, die bisherige Vorherrschaft der SPD in den großen Städten zu brechen, denn es war nun ein weiterer Wahlgang notwendig und dieser war dann ganz auf die Person des Bürgermeisterkandidaten ausgerichtet. Auch erhoffte man sich bessere Chancen durch eine erfahrungsgemäß mögliche geringere Wahlbeteiligung

2007 Verlängerung der Amtszeit Bürgermeister

Die Amtszeit wurde in dem Jahr 2007 mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch die Mehrheit von CDU und FDP auf sechs Jahre verlängert, um die Wahl der Bürgermeister von der Wahl der Räte zu entkoppeln.

2013 Amtszeit Bürgermeister wieder verkürzt

Nach abermaligem Regierungswechsel zurück zur SPD /Grüne vom 20. Juni 2012 bis zum 27. Juni 2017 unter der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wurde das Wahlgesetz wieder geändert, denn man wollte zwei Wahltermine aus Kostengründen und evtl. Wahlmüdigkeit der Bürger vermeiden.
Das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie vom 9. April 2013 änderte die Amtszeit wieder auf fünf Jahre und somit konnte die Kommunal- und Bürgermeisterwahl wieder gemeinsam erfolgen. Ab 2020 sind die Bürgermeisterwahlen mit den Wahlen der Stadt- und Gemeinderäte wieder zeitlich verbunden.

2016 Neue Sperrklausel von 2,5%

Mit der Abschaffung der in Nordrhein-Westfalen bisher üblichen fünfprozentigen Sperrklausel mit Urteil des Verfassungsgerichts NRW vom 6. Juli 1999 und der Zunahme der Bildung anderer Parteien und Gruppen entstanden den etablierten Parteien erhebliche Konkurrenz in den Kommunalparlamenten. Teilweise gab es plötzlich statt der üblichen drei bis vier nun manchmal bis zu Elf Parteien und Gruppen.
2016 wurde die Sperrklausel von 2,5 Prozent in NRW mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen eingeführt. Die Sperrklausel sollte verhindern, dass zu viele Kleinstparteien und Einzelkämpfer in die nordrhein-westfälischen Kommunalparlamente einziehen – und damit aus Sicht der großen Parteien die Arbeit der Politiker erschweren.

2017 Neue Sperrklausel von 2,5% auch nicht zulässig

Das ging aber nicht gut aus, denn das Verfassungsgericht kippte die Sperrklausel bei Kommunalwahlen aufgrund der Klage der kleineren Parteien wie Piraten, Linke und NPD, Die Partei, Linke, ÖDP und Tierschutzpartei als auch die Bürgerbewegung Pro NRW und die Partei Freie Bürger-Initiative/Freie Wähler.
Der Landesverfassungsgerichtshof hatte am 21.11.2017 entsprechend entschieden. Die vom Landtag beschlossene Sperrklausel bei der Wahl von Gemeinderäten und Kreistagen in NRW ist verfassungswidrig. Kleinere Parteien und Einzelbewerber können auch künftig mit weniger als 2,5 Prozent der Wählerstimmen in Kommunalparlamente einziehen.

2019 April: Abschaffung der Stichwahl für Bürgermeister

Mit dem erneuten Regierungswechsel hin zu CDU und FDP seit Juni 2017 mit Armin Laschet als Regierungschef wurde wieder versucht, Änderungen am Wahlrecht vorzunehmen. Hintergrund war wohl, dass die CDU – Bürgermeisterkandidaten zwar häufig die meisten Stimmen erhielten, aber bei Stichwahlen dann verloren hatten. Eine WDR-Auswertung der Kommunalwahl 2014/15 zeigt: In den meisten Fällen ging ein Mehrheitswechsel in der Stichwahl zulasten der CDU.

Bei der Kommunalwahl 2020 soll es somit keine Stichwahlen mehr für Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte geben. Der Landtag hatte die entsprechende Änderung des Wahlrechts im April 2019 durch den Landtag auf Vorschlag der Regierung unter Ministerpräsident Armin Laschet mit Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und FDP beschlossen.

2019 Dezember: Abschaffung der Stichwahl nicht zulässig

Dagegen hatten SPD und Grüne im Juli eine Normenkontrollklage beim Verfassungsgericht in Münster eingereicht. Auch hier musste wieder das Verfassungsgericht eingreifen. Somit bleiben die Stichwahlen bei Kommunalwahlen. Mit knapper Richtermehrheit von vier zu drei hat der NRW-Verfassungsgerichtshof am 20.12.2019 in Münster so entschieden. Durch die Abschaffung sahen die Richter die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats verletzt.

Kommunalwahl 2020 – was gilt

Was wird bei der Kommunalwahl 2020 in NRW gewählt?

Die Bürger wählen die (Mitglieder des Rates) Vertretungen der Städte, Gemeinden und Kreise sowie Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte. In kreisfreien Städten werden Stadträte, Bezirksvertretungen und Oberbürgermeister gewählt. In kreisangehörigen Städten Kreistage, Stadträte, Landräte und Bürgermeister. In Gemeinden sind es Kreistage, Gemeinderäte, Landräte und Bürgermeister.

Wie wird gewählt

Jeder Wahlberechtigte erhält eine Wahlbenachrichtigung. Er kann dann per Briefwahl oder im Wahllokal in einer Kabine direkt auf dem Wahlzettel seine Kandidaten ankreuzen.

  1. Für den Gemeinde- oder Stadtrat hat man eine Stimme (Kreuze).
    Die Partei, die die Mehrheit der Stimmen in dem jeweiligen Wahlkreis hat, hat somit ein Direktmandat, der Kandidat kommt auf jeden Fall in den Rat. Die gesamten Stimmen für die jeweilige Partei aus allen Wahlkreisen  werden zusammengezählt und am Schluss bestimmt die Gesamtzahl den Prozentanteil der Partei und auch somit die Gesamtmenge der Ratsmitglieder. Diese werden aus der sogenannten Reserveliste jeder Partei  ermittelt, auf denen die Kandidaten in bestimmter Reihenfolge aufgeführt sind. Stehen einer Partei 10 Mandate zu, so sind die Direktkandidaten bereits gesetzt. Handelt es sich um 2 Direktkandidaten können noch 8 aus der Liste in der Reihenfolge 1 bis 8 in den Rat einziehen. Wenn eine Partei also keine Direktmandate erhält, kann sie aber über den Stimmenanteil und somit die Liste ihre Kandidaten in den Rat schicken.
  2. Für den Bürgermeister eine Stimme (evtl.Stichwahl)
  3. Für den Kreistag auch 1 Stimme (Kreuze) Prozedere  siehe wie 1
  4. Für den Landrat 1 Stimme (evtl. Stichwahl)

Resümee: Es gibt somit für diese Wahl vier Stimmzettel, mit jeweils einer Stimme (Kreuz) zu versehen.

Wann kommt es zu einer Stichwahl?

Zu einer Stichwahl kommt es, wenn kein Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters, Bürgermeisters oder Landrat die absolute Mehrheit (mehr als 50%) erreicht. Mögliche Stichwahlen finden normaler Weise zwei Wochen nach dem ersten Wahlsonntag statt, 2020 also wahrscheinlich am 27. September.

Beispiel

Es treten 3 Kandidaten an. Kandidat A erhält 40%, Kandidat B 25%, Kandidat C 30%.
Es scheidet dann Kandidat B aus und die Stichwahl findet zwischen Kandidat A und Kandidat C statt.
Erhält dann der Kandidat A mehr Stimmen als Kandidat C hat er dann gewonnen.

Nicht vergessen

Wählen gehen oder Briefwahl, denn in unserem Staat hat man die Wahl.

Hinweis der Redaktion: Leider hatte sich im  ursprünglichen Text vom 27.07.20 ein Fehler eingeschlichen, der hiermit korrigiert wurde. Ursprünglich war geschrieben worden, dass bei der Rats- und Kreistagswahl 2 Stimmen zu vergeben sind. Das war falsch und ist geändert worden.

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