Waldsterben, Wassermangel, Gift

Bildquelle: Dieter Damschen / NABU Trendwende adé - Agrarpolitik im Rückwärtsgang

Die Landwirtschaft gräbt sich ihr eigenes Grab.

Die Lobbyarbeit der Landwirte war wieder einmal erfolgreich.
Dabei ist der Gewinn nur kurzfristig und die Folgen katastrophal für die Zukunft.
Gewinner sind die industrieähnlichen Großbetriebe zu Lasten der kleineren Familien- und Ökobetriebe, die sich kaum wehren können.

Umweltprobleme sind sichtbar
Als gäbe es die vertrockneten Wälder und die vertrocknenden und versteppenden Böden nicht. Wer über das Land mit offenen Augen fährt, kann das Alles schon beobachten.
Auch die Restbürger müssen unter den Dünge- und Gifteinträgen leiden. Der Einsatz in den Kläranlagen, diese Stoffe wieder heraus zu filtern, kostet durchschnittlich jeder Kommune eine Million Euro. Dabei klappt das nicht restlos, sondern es verbleiben schädliche Stoffe, die unter den sogenannten Grenzwerten bleiben.

Schädliche Subventionspolitik geht weiter
Noch immer wird der größte Teil der Agrar-Milliarden aus Brüssel weitgehend wirkungslos mit der Gießkanne über Europas Äckern und Wiesen verteilt.
Der Anteil der sogenannten Öko-Regelungen (Eco Schemes), mit denen beispielsweise artenreiche Grünflächen und klimaschonende Feuchtwiesen angelegt werden können, wurde auf 20 Prozent begrenzt. Außerdem gelten eine zweijährige Probephase und zahlreiche Ausnahmen.
Als wenn die Umweltprobleme auf die Wirksamkeit dieser Beschlüsse Rücksicht nehmen würde. Natur ist ein Dynamischer Vorgang. Wird erst einmal der kritische Punkt erreicht, ist negative Spirale im Gang und es ist fast unmöglich, das wieder zurück zu drehen.

Kritik der Umweltverbände berechtigt
Mit Recht kritisieren die Umweltverbände Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Deutsche Umwelthilfe (DUH) die aktuellen Beschlüsse
Die aktuellen Beschlüsse des EU-Agrarrates und die ersten Abstimmungen im Europaparlament.

DUH:

„EU-Minister opfern Natur und Klima den Interessen der Agrarindustrie“

Berlin, 21.10.2020: Die heute Nacht erfolgte Einigung des EU-Agrarministerrates zur nächsten Förderphase der Gemeinsamen Agrarpolitik kommentiert DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner:

„Mit dieser Einigung zementieren die EU-Agrarminister einen Status Quo in der europäischen Landwirtschaft. Und sie bringen damit das Klima und den Naturschutz in schwere Bedrängnis. Während die Bundeskanzlerin in Deutschland Umwelt- und Tierschutzorganisationen zur Zukunftskommission Landwirtschaft eingeladen hat, opfert Bundesagrarministerin Klöckner in Brüssel die naturverträgliche Zukunft unserer ländlichen Räume den Interessen der Agrarindustrie. Sie fährt ihre inzwischen bekannte Strategie: Eine im Kern rückwärtsgewandte natur- und klimaschädliche Politik in ein grün angehauchtes Mäntelchen kleiden und das als Durchbruch verkaufen.

Der Kompromiss zur Gemeinsamen Agrarpolitik geht auf Kosten des Klima-, Natur- und Tierschutzes. Weiterhin fließen über zwei Drittel der Finanzhilfen aus der wichtigen ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik in flächengebundene Direktzahlungen an Großbetriebe und Agrarinvestoren, ohne dass irgendwelche ökologischen oder sozialen Leistungen abverlangt werden. Der Anteil der sogenannten Öko-Regelungen (Eco Schemes), mit denen beispielsweise artenreiche Grünflächen und klimaschonende Feuchtwiesen angelegt werden können, wurde auf 20 Prozent begrenzt. Außerdem gelten eine zweijährige Probephase und zahlreiche Ausnahmen.

Die Deutsche Umwelthilfe fordert deshalb das Europäische Parlament dazu auf, den Anteil der verpflichtenden Öko-Regelungen auf mindestens 30 Prozent der Direktzahlungen zu erhöhen und bestehende Schlupflöcher und Übergangsfristen zu streichen. Außerdem müssen die nationalen Strategiepläne der Mitgliedstaaten an die EU-Kommission zukünftig verbindlich darlegen, wie Klima- und Naturschutzziele erreicht werden. Ansonsten muss die Kommission die Zahlung von Agrarhilfen an die Mitgliedstaaten verweigern.“

NABU:

Trendwende adé – Agrarpolitik im Rückwärtsgang
Miller: Agrarminister blockieren Lösungen für Klima- und Artenkrise

Brüssel – Die Einigung der EU-Agrarminister zur künftigen gemeinsamen Agrarpolitik bewertet der NABU als Armutszeugnis für den Klima- und Artenschutz. NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller:

„Die Landwirtschaftsminister haben dem Europäischen Green Deal heute eine Kampfansage erteilt. Statt Hunderttausenden Agrarbetrieben bei der Umstellung auf eine klima- und naturverträgliche Zukunft zu helfen, zementieren sie mit Steuergeldern von morgen ein schädliches Subventionssystem von vorgestern. Existenzielle Probleme wie die Klimakrise, Dürren und Insektensterben werden so nicht gelöst. Im Gegenteil: Die Betriebe werden allein gelassen mit unweigerlich steigenden Klima- und Umweltauflagen. Dieser Beschluss ist ein deutlicher Rückschritt gegenüber den viel zu schwachen Reformvorschlägen der Kommission.“

Die ohnehin wenigen Umweltambitionen, mit denen Julia Klöckner die deutsche Ratspräsidentschaft angetreten war, wurden in den Verhandlungen stark aufgeweicht. Aus Angst vor Konflikten mit Interessenverbänden habe die Ministerin den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht – zu Lasten von Natur und Klima, kommentiert Miller. Nach bisherigen Informationen wird es bei den Bedingungen für den Erhalt von Subventionen keine Fortschritte dahingehend geben, dass Betriebe nicht-produktive Flächen für die Biodiversität zur Verfügung stellen müssen. Das allerdings wäre der entscheidende Schlüssel, um bestäubenden Insekten und Vögeln zu helfen. EU-weit schwinden Arten und Lebensräume in atemberaubenden Tempo, wie vorgestern erneut ein Bericht der EU-Umweltagentur unterstrich.

Zwar habe Bundesagrarministerin Julia Klöckner ein Mindestbudget für die sogenannten Öko-Regelungen (Eco-Schemes) von 20 Prozent durchgesetzt, ohne jedoch konkrete Vorgaben zur Wirksamkeit der Maßnahmen zu machen. Im ungünstigsten Fall sollten diese zudem erst ab 2025 greifen, so Miller. Das wäre viel zu spät und deutlich zu wenig für eine echte Trendwende in der Agrarpolitik.

Der NABU hofft nun darauf, dass zumindest die EU-Parlamentarier bei ihren finalen Abstimmungen in den nächsten Tagen noch die Möglichkeit nutzen, die Agrarpolitik klar mit den Zielen des Green Deal und des Pariser Klima-Abkommens zu verknüpfen. Die entsprechenden Anträge standen voraussichtlich am gestrigen Mittwoch zur Abstimmung (AM1199 und AM808).

BUND:

Beschlüsse des EU-Agrarrats und Europaparlaments zur Zukunft der EU-Agrarpolitik sind enttäuschend

Die aktuellen Beschlüsse des EU-Agrarrates und die Ergebnisse der ersten Abstimmungen im Europäischen Parlament von gestern Abend zur künftigen Ausrichtung der EU-Agrarpolitik (GAP) kommentiert Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

„Die heutigen Beschlüsse des EU-Agrarrates und die ersten Abstimmungen im Europaparlament sind enttäuschend. Sie werden den Anforderungen an eine zukunftsfähige Landwirtschaft, wie sie in der Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission beschrieben sind, nicht gerecht. Die dringend notwendige Reform der EU-Agrarpolitik wird nicht grüner und gerechter – sie scheint im Gegenteil erneut zu scheitern. Wie so die Biodiversität geschützt und der Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz deutlich erhöht werden kann, bleibt ein Rätsel. Noch immer wird der größte Teil der Agrar-Milliarden aus Brüssel weitgehend wirkungslos mit der Gießkanne über Europas Äckern und Wiesen verteilt. Stattdessen muss das Geld jedoch genutzt werden, um übergesetzliche Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte zu belohnen. So würde Natur- und Klimaschutz zum landwirtschaftlichen Betriebszweig und der Systemwandel hin zu einer sozial-ökologischen Zukunft der Landwirtschaft begleitet.

Die nächste Förderperiode muss den Einstieg in den Ausstieg der pauschalen Flächenprämien einleiten. Doch diese Transformation ist in den Brüsseler Beschlüssen nicht erkennbar. Der EU-Agrarrat hält weitgehend an einer vorgestrigen Agrarpolitik fest und sperrt sich gegen die notwendige Reform. Der BUND kritisiert hier insbesondere die viel zu geringen Grundanforderungen sowie die zweijährige Übergangsphase und das mit zwanzig Prozent viel zu geringe Mindestbudget der Öko-Regelungen, den sogenannten ‚Eco-Schemes‘. Auch die Forderung des Europäischen Parlaments, dreißig Prozent des Geldes für die Eco-Schemes einzusetzen, reicht nicht aus. Stattdessen braucht es ein anwachsendes Budget, um damit schrittweise den Einstieg in den Ausstieg aus der pauschalen Flächenprämie bis zum Ende der nächsten Förderperiode zu erreichen. Gut ist hingegen, dass das Europaparlament sich für die Einführung einer verpflichtenden Halbzeitbilanz sowie eine verbindliche Klima-Bilanz der Agrarmilliarden einsetzt anstatt auf einen rechnerischen Klimaschutz zu setzen.“

Hintergrund:
Im Sommer 2018 stellte die EU-Kommission ihre Verordnungsentwürfe für die nächste Förderperiode der EU-Agrarpolitik vor. Seitdem werden diese im Europäischen Parlament sowie im EU-Agrarrat von den EU-Mitgliedstaaten diskutiert. Im Laufe der Woche wird das Europäische Parlament weitere Abstimmungen durchführen und am Freitag seine Positionierung abschließen. Diese wird dann im sogenannten Trilog-Verfahren mit den Positionen der EU-Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission verhandelt. Mit einem Ende des Trilogs wird im zweiten Quartal 2021 gerechnet.

Mehr Informationen zur EU-Agrarpolitik: www.bund.net/themen/landwirtschaft/eu-agrarpolitik

Kontakt: Christian Rehmer, BUND-Experte für Agrarpolitik, Mobil: 0174-3932100, E-Mail: christian.rehmer@bund.net

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