Berlin. Alljährlich wird am 5. Dezember der „Boden des Jahres“ ausgerufen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) unterstützt diese jährliche Initiative, die im Jahre 2020 den Wattboden in den Mittelpunkt stellt. Andreas Faensen-Thiebes, BUND-Experte für Landschaftsentwicklung, erklärt: „Wie kein zweiter Lebensraum ist der Wattboden einzigartig, mit den Gezeitenbewegungen magisch und eine unverzichtbare Kinderstube und Nahrungsquelle für viele Tiere. Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung endlich ihre Verantwortung im Bodenschutz ernst nimmt und die nötigen Regelungen für den Schutz des Wattbodens und aller Böden in Angriff nimmt.“
Es reicht aber nicht, einmal im Jahr den Boden zu würdigen, ihn die übrige Zeit zu ignorieren und seinen Schutz zu vernachlässigen. „Bodenpolitik muss ganzjährig auf der politischen Agenda stehen, denn Böden reagieren nur langsam auf Veränderungen und müssen permanent beobachtet werden“, so das Mitglied im Bundesvorstand des BUND, Faensen-Thiebes. „Der landwirtschaftliche Bodenschutz als Voraussetzung für EU-Zahlungen an die Landwirte ist so lasch, dass er fast nichts zum Erosionsschutz beiträgt. Bodenhumus ist eine wesentliche Kohlenstoffsenke und muss schon aus Gründen des Klimaschutzes auf allen Böden erhalten oder erhöht werden. Bodenversiegelungen durch Baumaßnahmen werden durch Änderungen im Baugesetz weiterhin großflächig durchgeführt.“
Diese und weitere große ökologische Herausforderungen bleiben bestehen, in besonderer Weise auch für das Wattenmeer. Mit Blick auf das Wattenmeer betont Bettina Taylor, die im BUND-Meeresschutzbüro für den Wattenmeerschutz zuständig ist: „In naher Zukunft sind dringende Maßnahmen der drei Wattenmeerstaaten Dänemark, Deutschland und den Niederlanden erforderlich, um einen glaubwürdigen, wirksamen und langfristigen Schutz des Gebiets zu erreichen. Deutschland hat bis einschließlich 2022 den Vorsitz der trilateralen Zusammenarbeit übernommen und hat damit eine ganz besondere Verantwortung.“
Die Genehmigungen für Eingriffe wie Baggerungen und Verklappungen von Sand und Schlick müssen stark erschwert und eine zwischen den drei Staaten koordinierte Strategie für das Sedimentmanagement entwickelt und umgesetzt werden. „Mechanische Belastungen durch Ausbaggerungen für Flussvertiefungen, wie zum Beispiel in der Elbe, müssen unterbleiben. Nur so kann es gelingen, dieses einmalige und standortgebundene Süßwasserwatt zu erhalten“, sagt Stefan Menzel, Sprecher des Bundesarbeitskreises Meer und Küste des BUND. Bettina Taylor ergänzt: „Weitere direkte Zerstörungen erleiden die Wattböden durch den fast flächendeckenden Einsatz von bodenberührenden Fanggeräten in der Fischerei oder das Verlegen von Kabeltrassen von den Offshore Windenergieanlagen. Auch die Überdüngung im Küstenbereich erschwert das Leben im Watt.“
Durch den Meeresspiegelanstieg könnte das Watt im Küstenraum zudem seine gezeitenbedingte Dynamik verlieren. Faensen-Thiebes abschließend: „Deshalb geht es beim Schutz des Wattenmeeres auch um ambitionierten, wirksamen Klimaschutz, um das 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen.“
Hintergrund: Das Wattenmeer – Kinderstube, Rückzugsort und einzigartiger Lebensraum
Wer an die Nordseeküste kommt, sieht meist als erstes Schlick: das Wattenmeer. Der zum UNESCO Weltnaturerbe zählende rund 9500 km2 große Nationalpark Wattenmeer erstreckt sich vom Deich über die Dünen, die Salzwiesen, das Watt bis hin zu den vorgelagerten Inseln und noch ein kleines Stück darüber hinaus – fast die gesamte deutsche Nordseeküste entlang.
Das Wattenmeer ist geprägt durch die Gezeiten. Im Takt von zwölf Stunden und 25 Minuten kommt und geht das Meer. Die Gezeiten schaffen so einen dynamischen Lebensraum, der sich andauernd verändert. Ständig tauchen neue Sandbänke auf und werden alte abgetragen. Zusätzlich bewirkt der Küstenstrom, dass die Friesischen Inseln langsam Richtung Osten wandern. Geprägt von diesen Schwankungen von Wasser, Temperatur, Salz und Licht hat sich ein einmaliger üppiger Lebensbereich entwickelt. Rund 10.000 Arten von einzelligen Organismen, Pilzen, Pflanzen und Tieren wie Würmer und Muscheln, Fische, Vögel und Säugetiere leben hier. Jedes Jahr legen zehn bis zwölf Millionen Vögel auf der Durchreise von den Brutgebieten in Sibirien, Skandinavien oder Kanada zu ihren Überwinterungsgebieten in Westeuropa und Afrika eine Rast im Wattenmeer ein. Für diese weite Reise fressen sie sich hier Fettpolster an. Nur im Wattenmeer finden sie genug Nahrung, um die tausende Kilometer lange Reise machen zu können.
Das Wattenmeer ist einer der produktivsten Lebensräume der Erde und ein einzigartiger Lebensraum, für den Dänemark, Deutschland und die Niederlande eine gemeinsame Verantwortung tragen. Seit 40 Jahren arbeiten die drei Staaten beim Schutz des Wattenmeeres zusammen. Im Jahr 2009 wurden die Bemühungen dieser Zusammenarbeit sowie aller anderen am Schutz Beteiligten mit der Entscheidung der UNESCO belohnt, das Wattenmeer wegen seiner herausragenden ökologischen Werte zum Weltnaturerbe zu erklären.
In einem „Call for Action“ hat der BUND im September 2018 zusammen mit Umweltverbänden in Dänemark, den Niederlanden und Deutschland einen besseren Schutz des Wattenmeeres als einzigartigen Lebensraum und Weltnaturerbe gefordert. Mehr Informationen und die Forderungen der Umweltverbände finden Sie unter: www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/meere/meere_wattenmeer_call_for_action.pdf
Aktuelle Handlungsfelder bei den Böden des Festlandes sieht der BUND in folgenden Punkten:
- Der Humus im Boden ist der Hauptspeicher für Kohlenstoff. Er sollte als Senke dienen, Bodenzerstörung und Humusabbau führen zur Freisetzung von CO2 und Methan, das in erheblichem Maße den Klimawandel beschleunigt. Ein effektiver Klimaschutz ist deswegen ohne Bodenschutz nicht machbar.
- Die dringend nötige Überarbeitung der Bundesbodenschutzverordnung liegt schon lange auf Eis,
- Eine einheitliche, verbindliche und umweltverträgliche Regelung wie mineralische Abfälle wiederverwendet werden können steht trotz dringendem Handlungsbedarf seit Jahren aus,
- Landwirtschaftlicher Bodenschutz als Voraussetzung für EU-Zahlungen an die Landwirte ist so lasch, dass er fast nichts zum Erosionsschutz beiträgt,
- Bodenversiegelungen durch Baumaßnahmen sollen zwar eigentlich deutlich reduziert werden, jedoch wurde das Baugesetz so geändert, dass genau diese Verluste an Böden noch beschleunigt werden.