Stolz sein auf seine Stadt

Petershagen: Wenn wir über Stadtentwicklung sprechen, geht es um eine Zukunftsperspektive einer Stadt und somit letztendlich um ihr Überleben.

Ist die Stadt erst einmal kaputt, lässt sich die Entwicklung nicht mehr rückgängig machen.

Wenn wir daher von Stadtentwicklung in Petershagen sprechen, kann man sofort feststellen, dass es lobenswerte Einzelprojekte gibt, wo Gebäude instand gesetzt werden, aber ein Gesamtkonzept seit Jahrzehnten fehlt. So wird isoliert mal dieses, mal jenes Gebäude abgerissen, ersetzt, aber der Gesamtzusammenhang, die Ensemblewirkung, z.B. von Straßenzeilen, wird überhaupt nicht beachtet. So kann ein schönes Fachwerkhaus auch zum Fremdkörper werden, wenn sonst nur noch Zweck- und Betonbauten rund herum bestehen. Daher ist es wichtig, Baukultur entsprechend der Epochen zu erhalten, um die Erkennbarkeit und Identität einer Stadt sichtbar zu lassen und zu erhalten. Geht es somit um Wohnkultur und Lebensqualität, heißt das auch in einer schönen Stadt wohnen und darauf stolz sein. Was im Kleinen, für zu Hause gilt, gilt auch im Großen, nämlich für das Wohngebiet, hier die  Innenstadt. Wer will schon in einer Gewerbehalle, bzw. in einen Gewerbegebiet wohnen?

 

Gewerbegebiet keine Stadtschönheit

Beim Neubauprojekt – E-Neukauf – im Zentrum von Petershagen geht es nicht um die Frage: wollen wir einen Einkaufsmarkt oder nicht sondern hauptsächlich darum, ob der Markt doppelt so groß werden darf und dafür neue Kunden von Außerhalb per Fahrzeug mit täglich etwa 3000 zusätzliche Fahrten in die Stadt geholt und dafür die Gebäudezeile Hauptstraße durch Abriss der denkmalgeschützten Häuser 38 und 40 zerstört werden sollen.

Tatsache ist: Es existiert ein Einkaufsmarkt mit einer Verkaufsfläche von ca. 600 m² für Lebensmittel und 400 m² für Getränke an der Ecke Hauptstraße/Sparkassenstraße. Ein weiterer Markt, REWE, befindet sich ca. 800 m weiter am Ortseingang zur B61 mit zusätzlich ca. 1800 m² Verkaufsfläche für Lebensmittel und Getränke. Auf der Gegenseite existiert ein weiterer Getränkemarkt mit ca. 400 m² Verkaufsfläche.

Die Bevölkerung der Kernstadt Petershagen geht zurück, überaltert und beträgt gerade noch 4000 Einwohnern. Weitere Geschäfte als kleinflächiger Einzelhandel befinden sich noch in der Innenstadt und es sind sogar noch einige dazu gekommen. Damit ist die Bevölkerung mehr als optimal mit einer funktionierenden Nahversorgung ausgestattet.

 

Um was geht es beim Neubau des Marktes?

Der Betreiber des Lebensmittelmarktes hat die Absicht, seinen bestehenden Markt zu verlassen und nebenan einen Neuen Markt mit ca. 1900 m² Verkaufsfläche zu errichten. Dafür sollen ca. 200 Parkplätze errichtet werden, etliche Gebäude abgerissen, der bestehende Straßenkreisel vergrößert und verlagert und die bestehende Sparkassenstraße vollständig umgebaut, erweitert werden, ausschließlich mit dem Ziel, erheblich mehr Verkehr aufnehmen zu können und eine optimalere Verkehrsanbindung für den geplanten Markt zu schaffen. Sollte der Markt tatsächlich angenommen werden, würden täglich ca. 3000 Fahrzeugfahrten zusätzlich zum Markt stattfinden. Von dem vergrößerten Verkehrsaufkommen wären mit allen Folgen sämtliche Anlieger der Kreuzstraße, Sparkassenstraße, Meßlinger Straße, Mindener Straße, Hauptstraße und weitere betroffen.

 

Was gilt es zu schützen?

 

1)Kernfunktion der Innenstadt ist das Wohnen mit kleinteiligem Einzelhandel zum Zwecke der Versorgung der vorhandenen Bevölkerung und nicht die quasi Schaffung eines Gewerbegebietes in der Innenstadt. Der Markt soll in seiner Standardbauweise errichtet werden, würde in die bestehende Straßenformation ein riesiges Loch reißen und sich in keinster Weise in die bestehende Bebauung einfügen. Ebenfalls soll zur angrenzenden Beuteleistraße, die ebenfalls zu den historischen Straßen gehört, auf der Ostseite eine 5 Meter hohe Schallschutz- und Brandschutzmauer errichtet werden, die den Bewohnern auf deren Westseite sämtliche Sonneneinstrahlung in ihre ohnehin kleinen Gartengrundstücke nehmen würde.

 

2)Stadtbild: Es geht auch nicht nur um zwei einzelnen Gebäude, sondern um einen im Anfangsbereich insgesamt beidseitig geschlossenen Straßenzug mit etlichen Gebäuden, die noch zum Altbestand zählen, und sich bis zur Mindener Straße hinzieht, die den anderen historischen Straßenzug bildet. Einige Gebäude wurden zwar abgerissen und durch Neubauten ersetzt, bilden aber mit den nachfolgenden Gebäuden, von denen viele noch zum Altbestand gehören und teilweise restauriert wurden, u.a. mit Öffentlichen Mitteln, auch noch eine ansehnliche städtebauliche historisch erkennbare Straßenformation. Der gesamte Straßenzug gehört zum Altstadtbereich von Petershagen, der auch als besonderes Fördergebiet ausgewiesen ist. Ebenfalls ist hierfür eine Gestaltungssatzung erlassen worden. Die beiden Gebäude Hauptstraße 38 und 40 dort heraus zu brechen, wäre wie eine große Zahnlücke im Gebiss, was an der neusten Bausünde, Neubau Schulmensa, geradezu deutlich wird.

 

Beispiel Schlossfreiheit Nr. 3 in Petershagen

 

Schlossfreiheit Nr. 3 ist ein ähnliches Gebäude wie Hauptstr. 40. Es gehörte der Stadt Petershagen und ist an Bürger verkauft worden, die darin schon eine Perspektive sehen. Es steht unter Denkmalschutz, ist saniert worden und stellt ein echtes Schmuckstück dar.

Stellen wir uns doch mal vor, das Gebäude Hauptstraße 40 wäre gestrichen und hätte neue Fenster!

Es wäre ebenso wie Schlossfreiheit 3 ein Schmuckstück in dieser Stadt, die Tourismus will, aber ihre Identität und Baukultur durch Abrisse und Verschandlung auf das Spiel setzt. 

 

3)Zur Wohnfähigkeit einer Stadt gehört die Lebensqualität durch ansehnliche Gebäude (Baukultur), Wiedererkennungswert (Alleinstellungsmerkmal) usw. und besonders auch ein geringes Verkehrsaufkommen (Begehbarkeit). Alles andere wäre auch nicht tourismusfähig und geradezu kontraproduktiv. Ziel kann nicht sein, das Verkehrsaufkommen in der Stadt zu vergrößern indem man möglichst viele Kunden von Außerhalb zu dem Markt lenken will. Darüber hinaus widerspricht das Vorhaben dem Verkehrsberuhigungskonzept, denn in den früheren Jahren wurde mit sehr großem Aufwand und öffentlichen Mitteln eine Umgebungsstraße gebaut, die B61 neu, um eben den Verkehr aus der Stadt heraus zu bekommen.

 

4)Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzschutz: Bekanntlich geht die Bevölkerung und damit das Kundenpotiental zurück. Weitere Kundschaft kann nur gewonnen werden auf Kosten anderer Versorger. Das kann dazu führen, wenn der Markt überhaupt wie vorgesehen ausgelastet wird, dass andere Märkte schließen oder alle wehleidig würden und damit die Nahversorgung in Nachbargemeinden nicht mehr gegeben ist. Sollte hingegen dieser Markt nicht laufen, bliebe eine Investitionsruine übrig. Weiterhin würde der bestehende kleinteilige Einzelhandel im Ort selbst zusätzlich gefährdet und Leerstände würden drohen.

 

Eine Zukunftssicherung für die Stadt

Zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Stadt bedarf es eines Gesamtkonzeptes.

Dieses findet seine Chancen noch im Tourismus, wo es ein Zeitfenster von ca. 30 Jahren gibt. Hier existiert eine Zielgruppe von Kunden, die noch über ausreichende Pensionen, Einnahmen und Renten verfügen, die sie hier ausgeben sollen.

Um diese Leute hierher zu bekommen, müssen auch die Voraussetzungen stimmen.

Will die Stadt sich bei diesen Geldgebern zukünftig bewerben, muss dann erst einmal die Bekleidung stimmen, was nichts anderes ist, als die Gestaltung und Sanierung der Gebäude und Quartiere der Stadt. Der erste Eindruck ist entscheidend, weiß jeder Bewerber.

Neben der bestehenden Gestaltungssatzung muss es auch Förderprogramme hierfür geben,die nicht nur Geld geben sondern auch technische und Beratungshilfen darstellen, sowie der aktiven Unterstützung durch die Stadtverwaltung.

Dazu bedarf es einer Gesamtüberplanung der Stadt und Einbeziehung der Bürger und Eigentümer, denn ohne diese geht nichts.

Damit die Gäste bleiben, brauchen wir qualitativ gehobene Pensionen, Hotels, Gastronomie und Freizeitangebote wie Planwagenfahrten , Kanutouren, Radtouren usw., damit die Geldgeber auch einen Grund haben, zu bleiben. Ist erst einmal das Kapital in der Stadt, profitieren davon auch die anderen Geschäfte, wie Bekleidung, Andenken, Radladen usw.. Anschließend wird die Vernetzung mit den anderen Orten auch denen Touristen und damit Kapital bringen. So einfach ist das.

Wegen eines neuen E-Neukauf kommt jedoch kein einziger Tourist in die Stadt.

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