Stadtplanung statt planlos in die Zukunft

Nur wer auch die tatsächlichen Entwicklungen und Realitäten akzeptiert und beachtet hat Chancen in der Zukunft.

Die demografische Entwicklung legt erbarmungslos die Schwächen der jeweiligen Stadt offen. Die Bevölkerungszahlen gehen dramatisch zurück, die Menschen werden immer älter und die Zahl der über 60järigen wird im Jahr 2050 doppelt so hoch sein wie die der Neugeborenen. Vor diesem Hintergrund gilt es, die Städte und ihre Immobilien zukunftsfähig zu machen und bei Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen auf die veränderte Nachfrage zu reagieren. Das bedeutet, dass die Städte so attraktiv sein müssen, dass sie die Bewohner zum Bleiben und auswärtige Bürger zum Kommen bewegen. Ansonsten stirbt eine Stadt weg, mit dynamischer Geschwindigkeit. Damit verbunden ist auch der Wertverfall, der zu immer rascher fallenden Immobilienpreisen führt und letztlich zum Verfall, da keine Wertschöpfung aus den Gebäuden mehr möglich ist, weil die Investitionskosten die Einnahmemöglichkeiten deutlich überschreiten.

 

Stadtkerne bewohnbar machen

Gerade die Gestaltung und Attraktivität der Innenstädte, der Wohnquartiere und der Sicherung und Schaffung von Infrastrukturen wie angepasstes Wohnen, kleine Läden und zielgerichtete Dienstleistungen machen die Städte lebensfähig, denn das führt zu anspruchsvollen Bewohnerstrukturen und entsprechender Kaufkraft. Kaufkraftbindung bedeutet somit, kaufkraftstarke Bewohner zu halten und zu gewinnen.

 

Letztendlich ist das Wohnen in der Stadt ebenso wie bei allen anderen Sektoren von ökonomischen Grundlagen bestimmt, denn je höher die Wohn- und Lebensqualität, desto höher die Nachfrage und der Preis für die Immobilien. Somit gilt auch hier der Kernsatz jeder Immobilienentscheidung und Wertermittlung: Lage, Lage, Lage, Lage.

 

Diese Lage wird durch verschiedene Faktoren bestimmt.

Ruhe, Zentralität, attraktive Gebäudegestaltung, angenehmes Umfeld, Nachbarschaft, Bewohnbarkeit der Quartiere mit Innenhöfen, Parkmöglichkeiten, Infrastruktur der kurzen Wege, Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs, Kindergärten, Schulen, Arbeitsmöglichkeiten, Verkehrsanbindung usw..

Je mehr diese Faktoren ausdünnen und die Wohnsituation benachteiligen, um so eher setzt eine Abwanderung ein mit den negativen Folgen für die Innenstädte oder die Städte überhaupt.

 

Kaufkraftbindung durch kaufkraftstarke Bewohner

Stadtgestaltung muss somit auf die Bedürfnisse der Bewohner der Stadtteile ausgerichtet sein und nicht auf die Interessen einzelner Marktteilnehmer. Stadtumbau und -gestaltung ausschließlich nach externer Kaufkraftgewinnung zu gestalten, bedeutet, der Stadt ihre Grundfunktion zu nehmen. Diese ist eindeutig das Wohnen in der Stadt. Beeinträchtigungen der Wohnfunktionen durch negative Faktoren wie Parkplatzmangel, schlechte Licht- und beengte Wohnverhältnisse, Verkehrsaufkommen, Lärm und Abgase führen zur Abwanderung der eingesessenen Bevölkerung, sozialen Brennpunkten, Leerstand und Verfall von Gebäuden.

 

So bedeutet die Zerstörung der Innenstädte durch Gewerbebauten und damit verbunden ein hohes Verkehrsaufkommen, erheblichen Qualitätsverlust und Abwanderung. Beste Beispiele sind der Zerfall und Wertverfall der alten Wohnquartiere in Minden und Petershagen, da kein Investor mangels Gewinnaussicht mehr bereit ist, in diese zu investieren, denn die Kosten bergen das zunehmende Risiko des dauerhaften Wertverfalls und damit Verlust der Investition.

 

War früher noch die Investition in Immobilien eine sichere Geldanlage, hat sich das in dieser Region ins Gegenteil verkehrt. Anders sieht es dagegen in den Boomregionen aus wie München, Hamburg, Münster und ähnliche Städte, wo die Infrastruktur stimmt, die Arbeitsplätze da sind und die Wohnqualität besonders in den Quartieren als besonders hoch gilt, wo ein guter Altbaubestand mit attraktiven, sanierten Gebäuden kaufkraftstarke Bewohner anspricht und bindet.

 

Neue Planungen mit alten Konzepten

Das Zerstören diese Lebensqualitäten kann man heute in seinen Folgen besonders da beobachten, wo in den 70zigern und 80ziger Jahren ganze Quartiere abgerissen wurden, um Einkaufscenter zu schaffen. In Minden wird das heute deutlich am Obermarktzentrum, Wehmeier an der Martinitreppe, Karstatt, heute Hertie und den ganzen Nebenlagen, die gewachsene Wohnquartiere vernichtet haben und nun zu Problemfällen geworden sind. Ganze Stadtviertel wurden abgerissen, um Platz für Einkaufszentren zu schaffen. Heute sind das alles Problemfälle.

 

Die Diskussion, inwieweit die Innenstädte wieder belebt werden können, reduziert sich auch heute noch ausschließlich auf den Aspekt, inwieweit Kaufkraft wieder in die Stadt geholt werden kann und dafür neue Einkaufcenter gebaut werden können. In Minden tobt seit Jahren die Schlacht um den Abriss des Rathauskomplexes zugunsten eines neuen Einkaufszentrum, neu ist die Planung, das alte Karstadtgebäude und umliegende Bebauung zugunsten eines neuen Centers abzureißen. Auch in Petershagen kann man solche veralteten Konzepte aktuell beobachten, wo gewachsene Strukturen durch den jetzt geplanten Neubau eines Einkaufscenter zerstört werden. Darüber hinaus wird die Konkurrenz nicht schlafen sondern reagieren, um sich ihre Kunden nicht abnehmen zu lassen. Der Kuchen ist verteilt und neue Kunden sind die alten der anderen Märkte und Center. Als eine solche Reaktion kann der Umbau des REWE – Marktes in Petershagen gesehen werden, der seine Schwachstelle gegenüber dem vorhandenen und größer geplanten Neubau E-Neukauf beseitigt hat und nun ebenfalls eine Frischfleisch- und Käseabteilung anbietet. So wird zu Lasten der Wohnquartiere eine Gewerbefläche geschaffen mit den daraus resultierenden Nachteilen. Die völlig ausreichende vorhandene Nahversorgung wird erweitert auf eine Größe, die externe Kunden benötigt mit den entsprechenden Folgen wie Verkehrsaufkommen, Emissionen, Lärm usw.

 

Wohnen ist Kernbereich der Innenstädte

Die eigentlichen Ursachen, dass die Wohn- und Lebensqualität in der Innenstadt zunehmenden zerstört wurde und immer noch wird, findet dagegen keine Beachtung. In Minden gibt es inzwischen keine einzige Möglichkeit mehr, in der Innenstadt Lebensmittel einzukaufen. Die Märkte wurden immer größer, wanderten aus der Innenstadt und die Bewohner ebenfalls. Viele Veranstaltungen wurden in die Stadt geholt, die mit Lärm und vielen Besuchern verbunden sind. Angeblich soll dadurch die Stadt attraktiver werden, es führt jedoch lediglich dazu, dass keiner mehr in der Innenstadt wohnen will. Eine Vermietbarkeit wird immer mehr reduziert und wer kann verlässt die Stadt und kaufkraftschwache Bewohner übernehmen die vakanten Wohnungen oder diese stehen leer. Begleitet wird dieser Prozess durch der Zerfall von Gebäuden und die Umschichtung der Bewohnerstruktur. So werden letztlich aus Wohngebieten Einzelhandelsflächen und damit Gewerbegebiete geschaffen. Diese wären wesentlich besser außerhalb der Stadt aufgehoben, wo sie mit dem Auto erreichbar und ausreichend Parkmöglichkeiten vorhanden sind. Mehr Verkehr in die Stadt zu holen, wäre nur dadurch möglich, den Altbaubestand entsprechend abzureißen, um Platz zu schaffen, und die Emissionen sorgen weiterhin dafür, dass die Städte zunehmend unbewohnbarer wird. Somit kann es doch nur heißen: zurück zu den Ursprüngen – die Stadt bewohnbar machen. Wohngebiete statt Gewerbegebiete in der Innenstadt.

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