Rückruf und Hardware-Nachrüstung für Betrugs-Diesel gefordert

Dieselskandal
Bild von Andreas Lischka auf Pixabay

Berlin. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute die Unzulässigkeit sogenannter „Thermofenster“ in einer Vorabentscheidung eines französischen Verfahrens bestätigt (C-693/18). Die Richter folgen damit der im April veröffentlichten Stellungnahme der Generalanwältin Sharpston. Die in dem Verfahren vor dem EuGH relevante Software beeinflusst die Abgasreinigung von Pkw in Abhängigkeit der Außentemperatur, was in der Folge zu hohen Emissionen des Dieselabgasgiftes Stickoxid führt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt die Klarstellung und geht davon aus, dass das Gericht in dem von ihr angestrengten, ebenfalls beim EuGH anhängigen Verfahren (C-873/19) ebenso entscheiden wird.

„Die heutige Entscheidung bestätigt die Rechtsauffassung der DUH, dass eine regelhafte Abschaltung einer ordnungsgemäßen Abgasreinigung im Winterhalbjahr illegal ist. Ich halte sie auch für kriminell und werfe den verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden der Dieselkonzerne vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge vor. Im Januar 2016 haben wir erstmals bei einem Mercedes C-Klasse-Diesel diese nach Außentemperatur gesteuerte Abschalteinrichtung nachgewiesen. Sollte sich Bundesverkehrsminister Scheuer weiter weigern, die betroffenen Fahrzeuge amtlich zurückzurufen und die Hersteller zu einem Austausch der funktionsuntüchtigen Abgaskatalysatoren zu verpflichten, wird dies die DUH in ihren laufenden Klage vor Gericht durchsetzen. Gerade in diesen Zeiten ist Saubere Luft wichtiger denn je, denn hohe Schadstoffkonzentrationen in der Atemluft sind besonders während der Pandemie ein Skandal“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Vor dem Verwaltungsgericht Schleswig führt die DUH, vertreten durch ihren Anwalt Remo Klinger, mehrere Verfahren, um das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zu verpflichten, die unzulässigen temperaturgesteuerten Abschalteinrichtungen entfernen zu lassen. Dazu hatte die DUH gegen die Freigabebescheide der Behörde zu Millionen von Pkw Widerspruch eingelegt und mittlerweile Klagen erhoben. Die Verfahren richten sich gegen Volkswagen, Porsche, Audi, Seat und Daimler. In einem Verfahren hat das VG Schleswig bereits im Jahr 2019 Fragen zur Vorabentscheidung an den EuGH gerichtet. In diesem geht es um die Klagebefugnis der DUH und um die konkreten Abschalteinrichtungen, die selbst nach einem vom Kraftfahrt-Bundesamt KBA angeordneten Rückruf weiterhin in Fahrzeugen des Typs VW Golf installiert sind.

Die Software steuert in den DUH-Klagen betroffenen Fahrzeugen die Abgasrückführung nach bestimmten Informationen, unter anderem der Außentemperatur, mit dem Ergebnis massiv erhöhter Stickoxidemissionen. Dies erfolgt zum Teil bereits ab Außentemperaturen von 15 Grad Celsius und darunter. Gemäß den Bestimmungen der europäischen Rechtsgrundlage (715/2007) ist dies nicht zulässig.

„Das Urteil des EuGH gibt dem Dieselskandal eine völlig neue Brisanz. Denn jetzt rächt sich, dass die deutschen Behörden im Herbst 2015 nur halbherzig mit der Automobilindustrie umgegangen sind. Sie haben Thermofenster und damit unzulässige Abschalteinrichtungen in den Autos akzeptiert. Diese millionenfach verbauten Systeme müssen nun entfernt werden. Das Urteil des EuGH wird für vergleichbare Verfahren nun die Messlatte sein. Die Zeit der faulen Ausreden ist vorbei,“ so Remo Klinger. Mit einer Entscheidung des EuGH in ihrem Verfahren rechnet die DUH im Laufe des kommenden Jahres.

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