Solidarität ist ein Prinzip und keine Rosinenpickerei

Minden. Unter dem Titel „Europa – quo vadis? – Europa, wohin gehst du?“ stand der Freitagabend beim Min+Din-Werteforum der Minden Marketing GmbH. Kein geringerer als der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, beantworte die selbstgestellte Frage in einem mehr als einstündigen, frei gehaltenen Vortrag. 500 Zuhörerinnen und Zuhörer im Forum der Wilhelm Altendorf Maschinenbau GmbH lauschten den Worten von Schulz, der immer wieder eine Lanze für die Europäische Union brach – als Einheit, Wirtschaftsgemeinschaft und Handelsraum von 28 Staaten mit mehr 510 Millionen Einwohnern, aber auch als starker Partner weltweit. „Nichts ist für uns besser, als ein starkes Europa“, so das Fazit des langjährigen Europapolitikers, der sich im Vorfeld seiner Rede in das Goldene Buch der Stadt Minden eintrug.

 

„Keine Sündenböcke für alles haben, sondern Lösungen suchen“, nennt Schulz ein „Rezept“ gegen den aufkeimenden Populismus, der sich zunehmend auch gegen die EU richtet und der allgegenwärtig im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft war. Seine weitere Aufforderung an das Publikum lautet: Sich wehren und stets gegen die Behauptungen der kleinen, aber laute Menge „klare Kante zeigen“. Es gehe um die Sicherung der toleranten und offenen Gesellschaft und auch um Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Grundrechte seien nicht verhandelbar und der Sockel der Demokratie, machte Martin Schulz klar.

 

Die EU stehe ebenfalls für 71 Jahre Frieden nach dem Ende des grausamen Zweiten Weltkrieges. „Ich werde zu der ersten Generation gehören, die niemals einen Krieg erlebt hat“, betonte Schulz, der im Dezember 1955 als fünftes Kind eines Polizeibeamten in Hehlrath bei Aachen zur Welt kam. „Euch soll es einmal besser gehen“ – die immer wieder erwähnten Worte seiner Mutter, konnte er als Kind und Jugendlicher nicht einordnen. „Heute weiß ich, was das bedeutet und wie wichtig es ist, in Frieden und in einer Demokratie leben zu können“, so Schulz. Er erinnerte an die Anfänge der EU als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in den 1950er Jahren. Länder und ehemalige Feinde wie Frankreich, Luxemburg, Italien und die Niederlande haben der damals noch jungen, aufstrebenden Bundesrepublik Deutschland die Hand gereicht. Das dürfe nicht vergessen werden.

 

Die „Idee von Europa“ bedeute, diese als Kooperation über Grenzen hinweg und als Solidargemeinschaft zwischen den einzelnen Nationen zu sehen: „Geneinsam sind wir stark!“, streicht der Parlamentspräsident heraus. Es müsse bei Ungerechtigkeiten ein Interessenausgleich zwischen den starken und den schwachen Ländern hergestellt werden. Und: Die Last der Flüchtlingswelle müssen alle tragen und nicht nur vier bis fünf Länder. Dafür gebe es eine europäische Verpflichtung. Solidarität sei ein Prinzip und keine „Rosinenpickerei“, macht Schulz deutlich. „Die Reichen dürfen nicht noch immer reicher werden. Das führe zum Unmut bei den Menschen, für die 1000 Euro „echt viel Geld ist“, so Schulz weiter. Hieran muss weiter – auch national – gearbeitet werden.

 

Den Besuch des Parlamentspräsidenten hat die Stadt Minden zum Anlass genommen, Martin Schulz die Ehre anzutragen, sich ins Goldene Buch eintragen zu dürfen. In einer kurzen Laudatio ließ Bürgermeister Michael Jäcke Stationen seines Lebens, sein Schaffen und herausragende Ereignisse – wie die Verleihung des Karlspreises im Jahr 2015 und den Friedennobelpreis für die Europäische Union 2012 – Revue passieren. „Sie mahnen, bringen Dinge auf den Punkt, sind streitbar, mutig und hartnäckig“, lobte Jäcke und brachte dazu passende Zitate von Schulz. „Sie betonen immer wieder, die Europäische Union sei das beste Mittel zur Abwehr der Dämonen des 20. Jahrhunderts wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Ein vereinigtes Europa ist der Garant für ein friedliches und gemeinschaftliches Miteinander von 510 Millionen Menschen“, betonte der Bürgermeister unter dem Applaus der 500 Zuhörer*innen.

 

Martin Schulz befindet sich mit seiner Unterschrift im Goldenen Buch in „guter Gesellschaft“. Denn neben der im Alter von 101 Jahren verstorbenen, englischen Königinmutter (Queen Mum), haben auch ihr Enkel, Prince Charles, der frühere Bundespräsident und damalige Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, der ehemalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Ignatz Bubis, die ehemalige Bundestagspräsidentin Dr. Rita Süssmuth, Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sowie der Schriftsteller und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2015, Navid Kermani, unter vielen anderen der Stadt Minden die Ehre erwiesen.

 

 

Bildquelle: Pressestelle Stadt Minden
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