Sascha Hahn reiht im Videotagebuch „Stroemen I“ Erinnerungen zufällig aneinander

Hannover. Das KUBUS FREISPIEL #2 präsentiert ab 29. April Sascha Hahn. Er zeigt unter dem Titel „Stroemen I“ eine filmische Installation über das Erinnern und seine nicht-lineare Mechanik, die bis zum 7. Mai in der städtische Galerie KUBUS, Theodor-Lessing-Platz 2,Theodor-Lessing-Platz 2, zu sehen ist. Für das Projekt „Stroemen I“ arbeitet Hahn mit dem Komponisten Nicolas Tzortzis aus Paris zusammen. Die Eröffnung ist am Freitag (28. April) um 19 Uhr.

Grundlage für „Stroemen I“ sind Hahns Videoaufzeichnungen aus den Jahren 2006 bis 2014, die nach einem Umzug nach Berlin und auf verschiedenen Reisen entstanden sind. Nach dem Prinzip eines Videotagebuchs reihen sich Szenen aus dem privaten Freundeskreis des Künstlers, der Berliner Kunstszene, von Streifzügen durch die Stadt oder die Natur aneinander zu einem „Stream of Consciousness“. Gedreht in SW, beeinflusst von der Ästhetik des Underground-Films der 1970er und -80er Jahre entsteht ein fragmentarischer Bilderreigen – offen für die Assoziationen und Projektionen der BetrachterInnen: einzelne Personen, eine Wasserfläche, ein Feuer, urbane Szenerien, Wolken, Zweige, verschiedene Oberflächen wie Haut oder Stein, Gebäude, Werbetafeln, nächtliche Lichter, Reihen von Autos, Schiffen oder Menschen wechseln sich ab und überlagern sich. Wie auch das Erinnern keiner linearen Logik folgt, passiert vieles permanent gleichzeitig. Gesteuert werden die Bilder von einem selbstentwickelten Computerprogramm, das jeweils zufällig Sequenzen auswählt und überblendet sowie ihre jeweilige Dauer steuert. Damit generiert

sich „Stroemen I“ von Sascha Hahn permanent selbst neu. Keine Sequenz ist wiederholbar, kein Zusammentreffen von Bildern passiert zweimal. In den Überlagerungen ereignen sich immer wieder räumliche Phänomene, die nicht nur die Gesetze der Zeit sondern auch die des Raums außer Kraft setzen. Oben und unten gehen ineinander über, Szenen kippen ins Bodenlose, alles ist permanent in Bewegung, Räume öffnen und schließen sich. Daneben bilden sich immer wieder Strukturen aus, die sich überlagern und die auch ein zentrales Thema der Malerei von Sascha Hahn bilden.

Der Komponist Nicolas Tzortzis aus Paris hat für dieses Projekt eine unabhängig vom Film laufende Soundcollage entwickelt, die nach dem gleichen computergesteuerten Zufallsprinzip abläuft, das Hahn für die Bilder verwendet. Das Material besteht in erster Linie aus bearbeiteten Field Recordings und archivierten Klängen. Auch hier finden permanente Überlagerungen statt. Die ursprünglichen Quellen sind kaum zu identifizieren. Wie auch im Film geht es aber weniger um ein bewusstes Zuordnen, als vielmehr um die Erzeugung eines traumnahen Zustands zwischen Wachen und Schlafen. Die Töne und Klänge sind mal sphärisch, mal pointiert, mal ruhig, mal beschleunigt, verhalten sich zu den Bildern verstärkend und erweiternd oder störend und kontrapunktisch. Und auch hier bilden sich permanent neue Momente, die unwiederholbar sind.

Ernst Bloch hat in „Das fragmentierte Ich“ über die Recherche geschrieben: „Proust zerstückt die eigene Person in unzählige Ichs, die nichts voneinander wissen und deren Welten sich überschneiden.“ Sascha Hahn und Nicolas Tzortzis konstruieren mit „Stroemen I“ einen Raum, in dem das Publikum etwas über das Erinnern, über die Zerrissenheit des Daseins, über die Unwiederholbarkeit des Augenblicks und über die menschliche Identität als eine fragile Konstruktion des Bewusstseins erfährt.

Das neue Ausstellungsformat KUBUS FREISPIEL bietet zukünftig kurzfristigen und experimentellen Formaten einen Raum. Eine wichtige Rolle spielt auch hier ein spezifischer Umgang mit der Architektur des KUBUS.

Bildquelle: hannover-stadt.de

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