Ökologie zum Anfassen: Schülerprojekt untersucht Renaturierung der Bastau

Minden. Wathose, Kescher, Messbrett und elektrische Angel – das sind nicht die klassischen Unterrichtsmaterialien für den Biologiekurs. Aber einige Schülerinnen und Schüler des Mindener Ratsgymnasiums kennen diese Ausrüstung bereits sehr gut. Ein Leistungskurs der Jahrgangsstufe Q1 arbeitet am Schülerprojekt „Monitoring zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit am unteren Bastauwehr“ mit. Unter der Leitung von Dr. Christian Frenz begleiten sie seit Herbst 2015 die Renaturierung an der Bastau. Hier untersuchen die Jugendlichen Veränderungen im Gewässer und erfassen und dokumentieren ihre Beobachtungen. Hintergrund des Schulprojektes ist der Teilrückbau der Wehrschwelle im Mündungsbereich der Bastau zur Weser.

 

Das Ratsgymnasium bearbeitet projektbezogen gewässerökologische Themen. Hierbei steht neben den fachlichen Grundlagen auch die praktische Anwendung des Wissens vor Ort im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler sollen an das Öko-Thema „Wasser und heimatliche Gewässer“ herangeführt werden. Für das Abitur ist im Lehrplan auch gefordert, dass die Schülerinnen und Schüler Vorkommen, Häufigkeit und Ausbreitung von Lebewesen im Freiland untersuchen, auswerten sowie lernen zu bewerten, wie sich etwa die Nutzung auf den Lebensraum auswirkt. Sie untersuchen aus diesem Grund die am Schulgelände vorbeifließende Bastau. Das Lernziel ist vor allem jungen Menschen einen auch erlebbaren Zugang zu aktuellen ökologischen Themen vor Ort zu verschaffen.

 

Gemeinsam mit den Städtischen Betrieben Minden (SBM) wurde beim Start der Bauarbeiten im Sommer 2015 besprochen, welche konkreten Maßnahmen und Untersuchungen den Rückbau des Bastauwehrs begleiten sollen. Die Projektgruppe machte im Sommer und Herbst erste Video- und Fotoaufnahmen von der Bauphase und nach der Fertigstellung. Im Anschluss gab es Gewässerbegehungen, um sich ein genaues Bild der Gegebenheiten machen zu können. „Die SBM waren von Anfang an von dem Schülerprojekt überzeugt und wir erwarten mit Spannung, welche Ergebnisse die Jugendlichen uns präsentieren werden“, betont Peter Wansing, Betriebsleiter der SBM.

 

Mehrere Teams, auch aus der Jahrgangsstufe Q2, waren beim ersten Vortest im Oktober 2015 mit dabei. Die Schülerinnen und Schüler nutzten die Elektrofischerei, um das Fischaufkommen in der Bastau zu erfassen. Die Fische wurden in einen großen Wassereimer gesetzt, um sie von dort aus einzeln vermessen zu können. Dazu legten die Jugendlichen jeden Fisch auf ein Messbrett. Die jeweilige Länge und die Fischart wurde in einem Protokoll festgehalten. Erste Ergebnisse zeigen, dass die neugestaltete Bastau-Anlage es den Fischen ermöglicht aus der Weser die Bastau hinauf zu steigen. Auf der gesamten Strecke fanden die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Fischarten, wie Rotauge, Brasse oder Gründling. Außerdem fanden die Jugendlichen heraus, dass kleinere bis mittlere Fische sich im Gewässer tummeln. Beobachtet wurde u.a. auch, dass mehrere Zweige und Äste in den Steinschlitzen und daran hängen bleibende Blätter den Wasserabfluss verändert haben.

 

Ende März und Anfang April 2016 hatte die Bastau solche Wassertemperaturen erreicht, in denen die Fischarten langsam mit dem Aufstieg beginnen sollten. Die Aufstiegskontrolle wurde jetzt durch ein Reusen-Barriere-System unterstützt. Vor Ort haben unterschiedliche Helfergruppen die Fische, die mit Hilfe der Reuse gefangen wurden, gezählt und protokolliert. Die Schülerinnen und Schüler waren fast täglich an der Bastau und überwachten den Aufstieg. Rotaugen kommen beispielsweise sehr häufig vor. „Unsere Kontrolle der Reuse hat unterschiedliche Ergebnisse geliefert. Manchmal waren nur ein bis drei Fische in der Reuse zu finden. An anderen Tagen dann aber sogar bis zu 99 Fische mehrerer unterschiedlicher Arten“, betont Biologielehrer Frenz. Im Verlauf der Messung zeigte sich, dass auch mehr und mehr mittlere und größere Fische die Bastau hinauf steigen. Der längste Fund war ein Aal-Weibchen mit einer Länge von 85 cm.

 

Die Fischzählungen werden durch ein Untersuchungsprogramm ergänzt. Die Schülerinnen und Schüler messen so auch Wassertiefen, Fließgeschwindigkeiten und andere Einflussgrößen auf den Fischwechsel in der Sohlgleite bei verschiedenen Abflussverhältnissen. Unter dem Vorbehalt, dass die Auswertung der Daten noch erfolgt, zeichnet sich ab, dass der Fischaufstieg in der Bastau in wechselseitiger Abhängigkeit vom Wasserstand in Weser und Bastau erfolgt. Auch die jeweiligen Wassertemperaturen im Mündungsbereich wirken sich maßgeblich aus. Die zu Beginn der Untersuchung im Biologiekurs in der Schule gestellte Frage: „Funktioniert denn die neue Sohlgleite als Fischaufstiegshilfe?“, wird sich auf Grundlage der Untersuchungen differenziert beantworten lassen.

 

Der Rückbau der Mindener Wehres war erforderlich, um die EG-Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen. Sie verfolgt das Ziel, einen guten ökologischen Zustand der heimischen Oberflächengewässer zu erreichen. Dazu war es notwendig, dass die Durchgängigkeit des Gewässers hergestellt wurde. Diese wurde aber ab der Bastau bereits wenige Meter nach der Einmündung in die Weser durch eine Wehranlage stark eingeschränkt. Diese Schwelle stellte für Fische eine unüberwindbare Barriere dar. Neben dem Teilrückbau der Wehrschwelle, wurde der Abschnitt auch strukturell verbessert. Beispielsweise wurde eine sogenannte raue Rampe von der Fußgänger- und Radfahrerbrücke bis zum Schwanenteich geschaffen. Diese ist eine naturnahe Alternative zu den technischen Bauwerken, wie beispielsweise eine Fischtreppe und soll den ungehinderten Fischaufstieg gewährleisten. Mit dem Teilrückbau der Wehrschwelle wurde ein großer Beitrag zur Wiederanbindung des 113 km² Einzugsgebiets der Bastau an das Gewässersystem der Weser gewährleistet.

 

 

Bildquelle: Pressestelle Minden
Print Friendly, PDF & Email

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*