EU-Plastikstrategie: Großer Wurf oder kleiner Schritt?

Im Dezember 2017 will die EU-Kommission ihre Plastikstrategie veröffentlichen. Ziel ist es, in den Bereichen Abfall-, Chemie- und Produktpolitik koordinierte Ansätze zur Lösung der drängendsten Umweltprobleme von Kunststoffen zu vorzustellen.

Der NABU spricht sich klar für eine Plastikstrategie aus. Denn einzelne verzagte Schritte, um durch Abfall-, Klimaschutz- und Meeresschutzgesetze dem „Problem Plastik“ Herr zu werden, haben sich nicht ausgezahlt. Den beschönigenden Aussagen der Kunststoffindustrie zum Trotz sind die durch Plastik verursachten Umweltprobleme gewaltig. Von Seiten der Kunststoffwirtschaft werden keine befriedigenden Antworten für eine nachhaltige Entwicklung geliefert.

Vier Umweltprobleme stehen bei Kunststoffen im Vordergrund:

  • Freisetzung von fossilen Treibhausgasen bei der Entsorgung (etwa bei der Verbrennung von Plastik im Restmüll oder als so genannter Ersatzbrennstoff)
  • Vermüllung der Natur, hier aktuell die Meeresvermüllung im Fokus
  • ein steil wachsender Rohstoff- und Energieaufwand für die Herstellung sowie
  • die Erzeugung und unkontrollierte Streuung von schädlichen Substanzen, wie Weichmachern, VOC oder Flammschutzmitteln.

Die Probleme existieren auch in Volkswirtschaften, in denen Kunststoffe schon lange Teil des Konsumanspruchs sind. Gleichzeitig handelt sich um ein globales Phänomen. Die Wahrnehmung von Plastik lässt sich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, wie folgt zusammenfassen: Im globalen Süden steht wahrscheinlich primär die Lösung der Abfallfrage auf der Agenda (wohin mit den riesigen Abfallbergen?), in Schwellenländern wird die wachsende Mittelschicht wegen Gesundheitsgefahren verstärkt gegen die Kunststoff- und Kreislaufwirtschaft protestieren und in den Industrieländern liegt der Fokus der Kritik auf verdreckten Weltmeeren und dem Anteil der Kunststoffproduktion und -verbrennung an den Klimagasen. Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden: Kunststoffe sind auch Teil der Lösung, weil sie Nutzen ermöglichen, der anders nicht oder nur mit viel größerem Umweltschaden möglich wäre. Das entbindet Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aber nicht von der Pflicht, das Kunststoffsystem zu verändern.

Das Plastik-Problem kurzfristig angehen

Das zivilgesellschaftliche Bündnis „Rethink Plastic“, sozusagen der europäische Arm der #breakfreefromplastic Bewegung hat vier zentrale Punkte identifiziert, das Problem Plastik kurzfristig angehen zu können.

Der NABU ist ein deutscher Partner der Bündnisse und unterstützt folgende Forderungen:

  • Striktere Reduktionsregeln für Einweganwendungen wie To-Go-Verpackungen und Einweg-Plastikflaschen (vergleichbar mit Vorgaben für Einweg-Kunststofftragetaschen in der EU-Verpackungsrichtlinie), die häufig in der Natur zu finden sind.
  • Um primäres (z.B. Pellets in Hygieneprodukten) und sekundäres (Abbau von großen in kleine Plastikpartikel) Mikroplastik sowie überflüssige synthetische Polymere zu reduzieren, muss eine eigene EU-Rechtssetzung geschaffen werden. Das Problem liegt hier auch im Kunststoff-, Gummi- und Faserabrieb von Textilien sowie den Zusatzstoffen von Wasch-, Putz-, Reinigungs- und Kosmetikartikeln.
  • Die Politikmaßnahmen zur (Getrennt-) Sammlung, Wiederverwendung, Remanufacturing und Recycling von Kunststoffen müssen im Sinne der Abfallhierarchie und hochwertigen Verwertung optimiert werden und auch Regulierungen für biobasierte Kunststoffe beinhalten. Dafür brauchen wir ein striktes Ordnungsrecht jenseits von Verpackungsgesetz und Gewerbeabfallverordnung auch für andere kunststoffenthaltende Produkte und Abfälle sowie hohe ökologische Vorgaben im zukünftigen Kreislaufwirtschaftspaket der EU. Letzteres soll für alle Mitgliedsstaaten Recyclingquoten und Getrenntsammlungspflichten für alle Siedlungsabfälle setzen.
  • Bioabbaubarkeit von Kunststoffen ist keine Universallösung für die Verschmutzung durch Kunststoffe. Sie muss als Lösung für spezielle, klar definierte Anwendungen genutzt werden.

Diese Forderungen stehen keinesfalls im luftleeren Raum. In ganz ähnlicher Weise haben sich jüngst die europäischen Umweltämter positioniert. Und auch die EU-Plastikstrategie selbst enthält die programmatische Vision, dass bis 2030 sämtliche in Verkehr gebrachten Kunststoffverpackungen wiederverwendbar und leicht recycelbar sind und mehr als die Hälfte der post-consumer Kunststoffabfälle recycelt werden. Außerdem sollen mehr Sortier- und Recyclingkapazitäten aufgebaut werden und so hochwertige Anwendungen für Recyclingkunststoffe ermöglicht werden. Die Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, die Abfallerzeugung vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Zugleich soll der fossile Rohstoffinput in die Wertschöpfungskette von Kunststoffen reduziert werden (also mittelfristig auf biobasierte Materialien umgestellt werden), um den Klimawandel zu bekämpfen. Dabei sollen zur Entwicklung innovativer Materialien und für die Beschaffung von Rohstoffen ein nachhaltiger Rahmen geschaffen werden. Logische Konsequenz aus den Umweltherausforderungen durch Plastik ist, dass Littering und Mikroplastikverluste bis 2030 drastisch zurückgehen sollen. Zumindest ist dies erklärtes Ziel der Kommission. Sie will ihre Ziele mit Hilfe von Initiativen der Wirtschaft, EU-Gesetzgebung, Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene erreichen – nachzulesen sind sie en detail in der Plastikstrategie.

Für den NABU ist klar: Die Entwicklung und der Umgang mit Kunststoffen sind bisher generisch gewachsen und haben wenig Regulierung erfahren, um die beschriebenen Schäden abzuwenden. Es ist Zeit, dass sich dies ändert, gerade weil die Branche boomt. Europa wird bei einer konsequenten Verfolgung von Umweltschutzzielen dieses Exempel statuieren können. Es bleibt abzuwarten, wie ernst die Kommission und die EU-Staaten die Plastikstrategie nehmen werden und durch welche Maßnahmen sie diese in die Tat umsetzen wollen.

Bildquelle: pixabay.de

 

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