Erneute Arbeitsniederlegung der Schleusenwärter angekündigt

Die erneute Ankündigung einer Arbeitsniederlegung der Schleusenwärter ab Montag (5.8.) um 6 Uhr bis Freitagmorgen (9.8.) um 6 Uhr betrifft  alle Schleusen, Bauhöfe und WSV-Verwaltungen in NRW, wenn bis dahin keine konkreten Tarifverhandlungen vereinbart sind.

 

Unternehmen aus Spedition und verladender Wirtschaft handeln. Um die mittlerweile erheblichen Probleme mit einem Transport aus dem Kanalgebiet im Export zu lösen, wurden Partien vorgezogen, teilweise mit Überstundenzuschlägen geladen, um noch rechtzeitig vor dem erneuten Streik  aus dem Kanalgebiet herauszukommen und die slots im Seehafen zu erreichen. „Dabei ist es schwierig und teuer, überhaupt ein Schiff zu bekommen, weil keiner mehr ins Kanalgebiet fahren will“, stellt Günter Haberland als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Häfen und Wasserstraßen NRW fest. Auch die Versorgung der Standorte im Kanalgebiet erfolgt auf anderen Wegen, „zur Zeit wird  für den Standort Dortmund Sand per Lkw vom Niederrhein angefahren,  um die Versorgung des TB Werk Elskes sicherzustellen, das extra im Hafen aufgebaut wurde“, beschreibt sein Kollege im Vorstand, Werner Spionkowski, der als Spediteur ebenfalls in Alternativen plant. Seine Kunden im Hafen Dortmund sind von der Wasserseite de facto abgeschnitten: „Sintermagnesit für Dortmund kommt per Schiff zum Betrieb Duisburg und geht von dort per Lkw nach Dortmund“.

 

Neben den logistischen Konzepten steht die Lösung gleich mehrerer juristischer Fragestellungen an.  Rechtlich problematisch wird das Verhalten von ver.di angesehen, weil mehrere Tausend Mitarbeiter in Unternehmen und Schifffahrt in Geiselhaft für Partikularinteressen genommen werden. Die nicht nur hier geübte Praxis, Streiks nicht mehr allein gegen den Arbeitgeber zu richten, sondern Unbeteiligte quasi als Geiseln zu nehmen, erweist sich als äußerst problematisch und muss mit dem vom Bundesarbeitsgericht ermöglichten Vordringen von Spartengewerkschaften mehr denn je dringlich einer Lösung zugeführt werden muss. „Persönlich bin ich schon seit langer Zeit der Auffassung, dass es nicht nur beim Eigentum, sondern auch bei Verbandsmacht eine Sozialpflichtigkeit geben muss“, stellt Haberland mit Blick auf die Existenzgefährdung gerade kleiner Unternehmen der Binnenschifffahrt fest. „Für mich spricht viel dafür, dass die hier vorliegende vorsätzliche Schädigung Dritter sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist und damit zum Schadenersatz verpflichtet.“

 

Dies gilt insbesondere auch, weil sich ver.di zunehmend fragen lassen muss, mit welcher Begründung gestreikt wird: Das BMVBS hat im Zuge des andauernden Streiks ein arbeitsrechtliches Gutachten bei der Universität Bonn in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten soll der Klärung der zwischen der Bundesregierung und der Gewerkschaft streitigen Frage dienen, wie verbindlich die seitens der Bundesregierung gegenüber den WSV-Mitarbeitern gemachten Zusagen sind und ob der seitens der Gewerkschaft geforderte Tarifvertrag den Mitarbeitern ein Mehr an Rechtssicherheit bringen würde. „Das Gutachten vom 22. Juli 2013 bestätigt eindeutig und in allen Punkten die Position der Bundesregierung“, betont Haberland: „Die bereits getroffenen schriftlichen Zusagen sind danach wirksamer Bestandteil der Arbeitsverträge sämtlicher Mitarbeiter der BMVBS-Abteilung Wasserstraßen und Schifffahrt sowie der Mitarbeiter in der WSV geworden“.  Nach Auffassung des Gutachters würde ein Tarifvertrag den Mitarbeitern der WSV nicht mehr Rechte einräumen, als ihnen schon jetzt aufgrund der vom BMVBS getätigten Schreiben zustehen. Schlimmer noch: Eine tarifvertragliche Regelung würde die betroffenen Arbeitnehmer schlechter stellen, als dies nun durch die sog. Gesamtzusagen der Fall ist.

 

Für die betroffenen Unternehmen in NRW steht eindeutig die Haftungsfrage im Vordergrund“, formuliert Werner Spionkowski die Interessenlage der Häfen- und Speditionsunternehmen, die sich auf die Bereitstellung der Infrastruktur und Dienstleistung im System Wasserstraße verlassen müssen. Das Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG) formuliert in den §§ 7+8 die Grundlagen des hoheitlichen Handelns und gibt Hinweise auf Haftung. Das Infrastrukturrecht als übergreifendes Rechtsgebiet stellt  für alle Verkehrsinfrastrukturen (Straße, Schiene, Wasserstraßen und Luftverkehr) immer die grundsätzlichen Fragen nach der Rolle des Staates – sei es als Anbieter oder als Gewährleister eines angemessenen Versorgungsniveaus-, der Planung, Zulassung und Finanzierung der erforderlichen Anlagen, der Reglementierung des Zugangs zu Infrastrukturen sowie des Umgangs mit natürlichen Monopolen. Eine juristische Überprüfung  wird auch hier klären müssen, ob hoheitliche Aufgaben ggf. nicht wahrgenommen wurden, weil Beamte fehlten, die Aufgaben der Schleusenwärter hätten übernehmen können – das Thema der „Gewährleistung“ ist für die Anlieger von entsprechendem Interesse. Die Häfen in NRW haben ihren Bundesverband aufgefordert, eine rechtsverbindliche Position zu erarbeiten, um ggf. Schadensersatzansprüche  formulieren zu können – betroffene Unternehmen aus Spedition und verladender Wirtschaft werden dies unterstützen, wenn der Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen auf sie zukommt.

 

Bedarf die juristische Aufarbeitung ihre Zeit, besteht andererseits die dringende Notwendigkeit, jetzt alle Beteiligten „an einen Tisch zu bringen“, um die Leistungsfähigkeit des Systems Wasserstraße sicherzustellen, formulieren die beiden Vorsitzenden der IG unisono.

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